Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

Ich erlebe oft, dass die Erwartungshaltung uns gegenüber sehr hoch ist. Manche mei- nen, die Unterkunft müsse umsonst sein, weil hinter uns eine Stiftung steht. Aber Dinge müssen etwas kosten, sonst werden sie nicht wertgeschätzt. Die Finanzierung kommt ja komplett aus privat erwirtschaf- teten Mitteln. Wir erhalten für unsere Stu- dentenwohnungen – bis auf wenige Aus- nahmen – keine staatlichen Subven- tionen. Letztendlich schließen wir eine Lücke im Markt; zwischen in geringerer Anzahl vorhandenen An- geboten des Studierendenwerks und teureren Angeboten der Privatwirt- schaft. Zudem schaffen wir einen Mehrwert, indem wir die Erinne- rungskultur fördern und weitertra- gen. Wir wollen das Gedenken auf- rechterhalten und den jungen Men- schen das Bewusstsein dafür vermit- teln. Und wir wollen das Thema po- sitiv angehen. Schoeps: Was GBI und die Moses Mendelssohn Stiftung bewegen, kann wirklich nicht in Euro und Cent gemessen werden. Es ist im- mens viel wert, auch weil wir junge Men- schen aus unterschiedlichen Kulturen zu- sammenbringen. Bei den Bewohnern unse- rer SMARTments bemühen wir uns, neue Sichtweisen auf Geschichte und Kultur zu entwickeln. Gibt es etwas, das Sie am Stiftungsrecht än- dern würden? Schoeps: Das größte Problem für Stiftungen ist nicht das Stiftungsrecht, sondern die nied- rigen Zinsen. Ein Großteil der Stiftungen ist relativ klein. Diese haben erhebliche Proble- me, mit Investitionen Renditen oberhalb der Inflation zu erzielen. Stiftungen sind vom Gesetzgeber jedoch gehalten, ihr Stiftungs- kapital zu erhalten. Das ist in der aktuellen Marktsituation schwierig. Daher halte ich unser Konzept für beispielhaft. Die Stif- tungsgelder sind überwiegend in der GBI angelegt. Die Renditen, die wir von der GBI erhalten, könnten wir mit Staatsanleihen in der aktuellen Situation nie erzielen. Nittka: Ja. Diese Erträge erreichen wir, weil wir als Unternehmen unternehmerisch han- deln und gleichzeitig die Stiftungsziele für uns eine übergeordnete Maßgabe sind. Dann ist der geforderte Kapitaler- halt für Sie keine Herausforderung ? Schoeps: Nein. Bei uns fand bisher kein Kapitalverzehr statt. Darüber wären viele Stiftungen froh. Die Jah- re 2012 bis 2019 waren durchaus erfolgreich. Ich hoffe sehr, dass das in Zukunft auch so bleibt. Kann die GBI auch mit anderen Stiftungen oder Unternehmen zusammenarbeiten? Nittka: Ja, auf jeden Fall. Wir agieren frei am Markt und haben Investoren aus allen Bereichen, etwa Versiche- rungen, Pensionskassen und Family Offices. Mendelssohn-Nachkomme Julius H. Schoeps ist in siebenter Generation Nachkomme des Philosophen Moses Mendelssohn. Geboren wurde er 1942 in Djursholm/Schweden, wohin die Familie ins Exil geflohen war. Schoeps ist Professor Emeritus an der Universität Potsdam und Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zen- trums für europäisch-jüdische Studien. Seit 2004 ist Schoeps Vorstand der Moses Mendelssohn Stiftung. Zu den zahlreichen Buchveröffentlichungen gehören die Geschichte der Familie Mendelssohn, seine Autobiografie „Mein Weg als deutscher Jude“ und das jüngst erschienene Werk „Düstere Vorahnungen. Deutsch- lands Juden am Vorabend der Katastrophe (1933–1935)“. » Die Renditen, die wir von der GBI erhalten, könnten wir mit Staatsanleihen in der aktuellen Situation nie erzielen. « Prof. Dr. J. Schoeps, Vorstand Moses Mendelssohn Stiftung 68 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. DR . J UL I US S CHOE P S & R E I NE R N I T T KA FOTO : © T I M F L AVOR

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