Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

tende Rolle. Wie gehen Sie mit dem Problem von Negativzinsen um, das sich inzwischen bei nahezu jeder Bank stellt? Paul Wessling: Auch wir standen natürlich vor dem Problem, als selbst die Geschäfts- banken, die 2019 noch auf die Berechnung von Negativzinsen verzichtet haben, der Reihe nach ihre Versprechen nicht mehr einhalten konnten. Wir haben daraus die Konsequenzen gezogen und den größten Teil unserer Liquidität in einem Renten- ETF mit kurzen Laufzeiten geparkt. Damit haben wir zum einen kein Abschreibungs- risiko für diese Anlagen zu befürchten, zum anderen können wir damit sogar noch 15 oder 20 Basispunkte verdienen. Gibt es bestimmte Investments, von denen Sie grundsätzlich die Finger lassen? Paul Wessling: Die gibt es durchaus, was nicht zuletzt mit meinen persönlichen Erfahrungen im Lauf meiner beruflichen Laufbahn zu- sammenhängt. Ich gehörte zu den Mitarbei- tern der US-Investmentbank Bear Stearns, die im Jahr 2008 noch vor der späteren Leh- man-Pleite vor der Insolvenz stand, die am Ende nur aufgrund der Übernahme durch J.P.  Morgan verhindert werden konnte. Seitdem bin ich extrem zurückhaltend gegenüber der Verbriefung von fremden Kreditrisiken, die nur mit einem extrem hohen Aufwand über- wacht werden können. Da setze ich lieber auf Hypotheken im Direktgeschäft, bei de- nen wir selbst als Darlehensgeber fungieren, oder auf grundpfandrechtlich besicherte Schuldscheindarlehen. Was beschäftigt Sie beim Blick nach vorn? Paul Wessling: Bei dieser Frage muss ich auf das Thema Regulierung zurückkommen. Der Durchführungsweg Pensionskasse war mehr als 100 Jahre lang von der Pflicht zur Mitgliedschaft im Pensions-Sicherungs-Ver- ein (PSV) befreit. Das ist seit Anfang des Jahres anders. Mit der Verabschiedung der EbAV-II-Richtlinie – das ist die einschlägi- ge europäische Richtlinie für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung – wurde unter anderem den Pensionskassen bezie- hungsweise ihren Trägerunternehmen aufer- legt, sich einem Absicherungsmechanismus, in dem Fall dem PSV, anzuschließen. Wie kam es denn überhaupt dazu? Paul Wessling: Ein Rentenanwärter hatte vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, weil seine Pensionskasse die ihm in Aus- sicht gestellte Rente kürzen musste. In einem solchen Fall ist normalerweise der Arbeitgeber aufgrund der sogenannten Sub- sidiarität in der Haftung. Tritt nun aber der Fall ein, dass gleichzeitig der Arbeitgeber insolvent wird oder gar nicht mehr existent ist, dann gibt es keinen mehr, der die Haf- tung übernehmen würde, denn es gibt eben keine Rückversicherung. Deshalb hat der EuGH entschieden, dass der deutsche Ge- setzgeber das ändern muss. Im Endeffekt sind wir dadurch plötzlich Täter und Opfer zugleich. Wie meinen Sie das? Paul Wessling: Bei Pensionskassen wie auch bei der Direktversicherung stand seit jeher die Bafin als Garant für zugesagte Leistun- gen nach dem Motto: Dahinter steht ja eine Aufsichtsbehörde, die darüber wacht, dass schon nichts passieren wird. Deshalb gab es eben nie eine PSV-Pflicht. Das gilt nun aber nicht mehr. Dabei waren es nicht die Pensionskassen, die nicht mehr darauf geachtet haben, dass die Maastricht- Kriterien eingehalten werden. Es war viel- mehr die Politik, die im Endeffekt den Grundstein dafür gelegt hat, dass wir zum Opfer einer Schlampigkeit geworden sind, die mit dazu geführt hat, dass wir nun zu- sehen müssen, trotz rekordniedriger Zinsen unser Geschäft im Sinne unserer Kunden aufrechtzuerhalten. Aber auch das werden wir schaffen. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Ich bin extrem zurückhaltend gegenüber der Verbriefung von fremden Kreditrisiken. « Paul Wessling, Vorstand Müllerei Pensionskasse 62 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PAUL WE S S L I NG | MÜL L E R E I P ENS I ONS KA S S E FOTO : © ANDR E A S ENDE RMANN

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