Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

behalten, was durch den Ausschluss be- stimmter Aktien nicht der Fall wäre. Wie muss man sich das in der praktischen Umsetzung vorstellen? Bernhard Langer: Wenn wir Werte aus ESG- Gründen nicht ins Portfolio nehmen, erset- zen wir diese durch andere Werte, sodass die einzelnen Faktoren ähnlich gewichtet bleiben, Investoren also nicht auf die mit den Faktorexposures verbundenen Rendite- vorteile verzichten müssen. Faktoren kön- nen also helfen, „schlechte“ Titel durch „gute“ zu ersetzen, ohne die Ertragserwar- tungen zu verändern. Anstelle der reinen Anwendung von ESG-Ausschlusskriterien beobachten wir eine wachsende Nachfrage nach individuelleren Lösungen zur Ver- besserung bestimmter ESG-Merkmale von Portfolios wie zum Beispiel des CO 2 -Fuß- abdrucks. Mit unserem Multi-Faktor-Ansatz können wir problemlos derartige maßge- schneiderte Lösungen für unsere Kunden entwickeln, was wir in Großbritannien auch bereits mit großem Erfolg umgesetzt haben. Die jüngste Invesco Global Factor Investing Study hat auch festgestellt, dass Investoren positive Erfahrungen mit der Kombination von Faktoren und ESG gemacht haben, vor allem bezüglich der Performance. Aber läuft dann doch wieder alles auf die alte Streitfrage aktiv versus passiv hinaus? Bernhard Langer: Nein. Wir betrachten Factor Investing als dritte Säule der Kapitalanlage neben traditionellem aktivem und passivem Investieren. Faktorstrategien lassen sich sowohl in aktiv gemanagten als auch in pas- siven Anlageportfolios umsetzen. Bei einer aktiven Strategie stimmt das Fondsmanage- ment die Faktoren gezielt aufeinander ab, damit sie sich entweder gegenseitig verstär- ken oder ausbalancieren können. Die betref- fenden Faktoren werden kontinuierlich be- obachtet und bei Bedarf neu gewichtet oder modifiziert. Passive Faktorstrategien setzen auf einzelne Faktoren, die sich in der Ver- gangenheit bewährt haben, und arbeiten ge- mäß den vorab festgelegten Auswahlregeln. Was bedeutet die Diskussion um eine höhe- re Inflation und steigende Zinsen für einen Faktorinvestor? Bernhard Langer: Als Erstes muss man natür- lich schauen, wann es einen wirklichen Wendepunkt gibt, also wann zum Beispiel zehnjährige US-Staatsanleihen so attraktiv sind, dass die Leute lieber diese kaufen als Aktien. Die Notenbanken haben signalisiert, dass sie am kurzen Zinsende bis 2023 kei- nen Änderungsbedarf sehen. Aber die Frage ist, welche Auswirkungen die enormen Hilfspakete haben werden, gerade in den USA, wo in den Aufschwung hinein noch mehr Stimulus gegeben wird. Dadurch be- steht ein Risiko des Überschießens. Über die möglichen Folgen können wir uns unterhalten, prognostizieren können wir sie aber nicht. In unserem taktischen Asset-Al- location-Modell schauen wir uns aber natür- lich immer an, ob die Volatilität nach oben geht und wie die Korrelation zu den einzel- nen Anlageklassen aussieht. Verwerfungen wie jene durch die Gamestop-Ereignisse stimmen uns natürlich vorsichtig und führen zu Warnhinweisen in unserem Risikoma- nagement, die uns signalisieren, dass wir die Aktienquoten etwas zurücknehmen soll- ten. Aktuell überwiegt aber noch diese unglaubliche Liquiditätsschwemme. An der „Alternativlosigkeit von Aktien“ hat sich noch nichts geändert. Stand heute müssten sich die Parameter auf Sicht eines halben Jahres schon dramatisch verändern. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » An der ›Alternativlosig- keit von Aktien‹ hat sich noch nichts geändert. « Bernhard Langer, CIO Invesco Quantitative Strategies 52 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | BE RNHARD L ANGE R | I NVE S CO FOTO : © MA RT I N JOP P EN

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