Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

wie wichtig die Unterscheidung zwischen nominalen Zinssätzen und der um die Infla- tion bereinigten realen Verzinsung ist. Erst diese Betrachtung der realen Verzinsung, die wir auch unseren Untersuchungen zugrunde legen, macht deutlich, warum wir in einer historisch betrachtet einmaligen Zeit leben. Was meinen Sie konkret? Elroy Dimson: Nicht selten sind die Inflations- zahlen bestimmter Länder mit großer Unge- nauigkeit behaftet. Um zu untersuchen, wie sich der reale Zins in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich verändert hat, haben wir deshalb die Entwicklung von sieben bedeu- tenden Industrieländern untersucht, die über vergleichsweise verlässliche Daten in Bezug auf die Preisentwicklung verfügen. Daran wird deutlich, dass der reale Zins regelrecht kollabiert ist. Im Jahr 2000 lag er noch bei zirka vier Prozent, und 20 Jahre später befindet er sich gut fünf Prozentpunkte niedriger – bei minus 1,3 Prozent. Erst dadurch wird die Dramatik der heutigen Situation erkennbar. Sie meinen, erst diese Beobachtung macht den Unterschied zur subjektiven Empfin- dung eines niedrigen Zinsertrags beim Blick auf die nominale Verzinsung auf Bankkonto oder Wertpapierdepot erkennbar? Elroy Dimson: Auch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat es Phasen gegeben, in denen die realen Zinsen sich in einem deutlich negativen Bereich bewegt haben. Der entscheidende Unterschied zur heutigen Situation besteht in der Tatsache, dass sich damals sowohl der nominale Zins als auch die Inflation auf einem extrem hohen Niveau befanden. Heute ist es genau umgekehrt: Sowohl die nominalen Zinsen als auch die Inflation sind auf ein historisch niedriges Niveau gesunken. Warum sprechen Sie von einem entschei- denden Unterschied? Elroy Dimson: Weil wir aufgrund unserer Beobachtungen über einen extrem langen Zeithorizont, der bis ins Jahr 1900 zurück- reicht, über die langfristigen Renditen von Aktien und Anleihen viel mehr wissen. Aber nicht nur das, wir wissen auch mehr über die Zusammenhänge sowohl zwischen der Entwicklung der Renditen dieser beiden Marktsegmente als auch deren Verhältnis zum realen Zins. Nach unserer Erkenntnis gibt es eine klare Beziehung zwischen dem aktuellen realen Kurzfristzins und den zu erwartenden Returns für ein Investment sowohl in Aktien als auch in Anleihen. Die wie genau aussieht? Elroy Dimson: Erlauben Sie mir zunächst einen kurzen grundsätzlichen Exkurs. Um die Zusammenhänge zwischen einer Welt extrem niedriger Zinsen und den in Zukunft zu erwartenden Renditen für Aktien und Anleihen zu verstehen, muss man Folgen- des berücksichtigen: Der reale Zins reprä- sentiert den inflationsbereinigten Return auf ein im Prinzip risikoloses Asset. Der zu er- wartende Ertrag eines Aktieninvestors muss also höher ausfallen, weil er eine gewisse Entschädigung oder eine Prämie für das von ihm eingegangene Risiko erwartet. Wenn aber nun der reale Aktienertrag der Summe aus realem Zins zuzüglich der Risikoprämie entspricht, dann müsste das bedeuten, dass in Zeiten niedriger Zinsen auch der zu erwar- tende Aktienertrag geringer ausfällt. Genau das haben meine beiden Kollegen und ich für das diesjährige Jahrbuch untersucht. » Aktien haben in jedem untersuchten Zeitraum einen höheren Return erbracht als Anleihen. « Elroy Dimson, Cambridge Judge Business School 34 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. E L ROY D IMSON | CAMBR I DGE UN I VE R S I T Y FOTO : © S A R AH WE A L

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