Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

Häusern. Zehn Prozent der Hotelkapazität könnten Serviced Apartments bald schon einnehmen, meint Ries. „Wir haben in Deutschland rund eine Million Hotelzim- mer; inklusive allem, etwa Pensionen, Gast- häusern und Hostels, sind es sogar 1,8 Mil- lionen Betten. Aktuell gibt es vielleicht 30.000 bis 40.000 Serviced Apartments in Deutschland. Selbst wenn die Pro- gnosen stimmen, dass wir Ende des Jahrzehnts 100.000 Serviced Apart- ments haben, wären das nur zehn Pro- zent der Hotelkapazität. Da ist bei den neuen Reisepräferenzen noch richtig viel Potenzial“, meint Ries. Mit oder ohne MwSt.? Auch die Mehrwertsteuersituation sollte gut überlegt sein. Während privates Woh- nen nicht umsatzsteuerpflichtig ist, ist es die gewerbliche Nutzung einer Wohnung, und der Mehrwertsteuersatz im gewerblichen Beherbergungsbereich liegt bei sieben Pro- zent. Hier gilt es zu klären, ob die gewerb- liche oder die wohnwirtschaftliche Prägung des Apartments überwiegt. Einflussfaktoren sind Größe und Ausstattung der Apart- ments, das Vorhandensein von Gemein- schaftseinrichtungen, Art und Umfang von Serviceleistungen und ob die Immobilie auf einem gewerblichen Grundstück oder einem Wohngrundstück steht. „Eine Unterschei- dung stellt auch die Mietdauer dar“, meint Heiko Szczodrowski, Head of Asset Structuring Portfoliomanagement beim Asset Manager Commerz Real, und fährt fort: „Eine von vorn- herein geplante Mietdauer von über sechs Monaten ist ein Indiz für eine wohnwirtschaftliche Nutzung. Dann sollte der Vermieter aber auch keine gewerblichen Dienstleistungen wie Putz- oder Waschservice anbieten. Diese werden besser von Dritten erbracht.“ Professionalisierung Szczodrowskis Arbeitgeber Com- merz Real ist 2017 in den Micro- Living-Markt eingestiegen. „Wir haben uns bewusst Vorlauf genom- men, um uns die damals noch ziem- lich junge Nutzungsart anzusehen. Anfangs haben wir noch mit Ange- botsdaten von Immoscout arbeiten müssen, weil keine anderen zur Verfügung standen. Die Datenlage ist mittlerweile deutlich professioneller geworden“, freut sich Szczodrowski. „Das Analyseunter- nehmen Bulwiengesa trägt hervorragende Daten zu Micro Living Apartments zusam- men.“ Außerdem gibt es inzwischen einen eigenen Verband, den Bundesverband mi- cro-living (BML), der auch Daten zusam- menträgt. Der BML hat im Dezember 2019 seine Arbeit aufgenommen und ist aus dem 2016 gegründeten Bundesverband für stu- dentisches Wohnen hervorgegangen. Zurzeit hat er 22 Mitglieder. Aktuell ist Commerz Real dabei, ihr zweites Micro-Living-Produkt als offenen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen im institutionellen Vertrieb zu platzieren. Der Deutschland-Fonds mit einem Ziel- volumen von 420 Millionen Euro ist bereits platziert. „Für diesen Fonds haben wir unter anderem ein Objekt in Köln erworben, das das Thema urbane Mischnutzung im Trend- viertel Ehrenfeld widerspiegelt. Das Erdge- schoss ist an einen Netto-Supermarkt ver- mietet, in den darüber liegenden Etagen be- finden sich Studentenwohnungen, und im Staffelgeschoss wird ein Boardinghouse entstehen“, erklärt Szczodrowski. Der Deutschland-Fonds wird nach Fertigstellung der Objekte rund 3.000 Mieteinheiten um- fassen und damit für granulare Cashflows sorgen. „Im Regelfall verpachten wir unsere Objekte nicht an einen Betreiber, sondern vermieten über unsere Verwalter vor Ort direkt an die Endnutzer. Das gibt uns die Chance, unmittelbar von steigenden Mieten zu profitieren, und wir tragen nicht das Bonitätsrisiko des Betreibers“, erklärt Szczodrowski. Preislich liegen die Mieten für die Stan- dardapartments des Deutschland-Fonds zwischen 350 und 600 Euro kalt. Je nach Standort kommen zwischen 110 und 130 Euro pauschale Nebenkosten hinzu, für Strom, Heizung, WLAN und Hausmeister. „Die Nebenkosten berechnen wir pauschal, denn der Aufwand für eine verbrauchsabhängige Abrechnung mit Zählern und Ablesung bei jedem Mieterwechsel lohnt sich nicht“, meint Szczodrowski. Mit ihrem zweiten Mikroapart- ment-Fonds, dem Europa-Fonds, möchte Commerz Real ein Volumen von 500 Millionen Euro einsammeln und peilt eine leicht höhere Rendite von 4,5 bis 5,0 Prozent an. In diesem Fonds befindet sich auch ein Objekt in Wien, das eine interessante Dop- pelnutzung aufweist. „Während der Arbeitswoche wohnen Berufspendler in dem Objekt, und an den Wochen- enden kann – sofern dies mit dem Mieter vereinbart wurde – der Be- treiber die Zimmer an Privatreisende vermieten, die einen Städtetrip oder einen Konzertbesuch planen; denn das Objekt liegt nahe an der Messe » Das Leben ist schneller und mobiler geworden als früher … das gilt für Studenten wie für Projektmitarbeiter. « Heiko Szczodrowski, Head of Asset Structuring Portfoliomanagement, Commerz Real AG Die Micro-Living-Branche ist optimistisch „Wann rechnen Sie wieder mit Business as Pre-Covid-19?“ Mit „Business as Pre-Covid“ rechnen die meisten befragten Unternehmen erst ab dem 2. Halbjahr 2021. Hoffnungsvoll stimmt aber folgende Botschaft: Alle Befragten gehen davon aus, dass es irgendwann wieder ein „Business as Pre-Covid“ geben und sich damit die Erfolgsgeschichte von Micro Living fortsetzen wird. Quelle: Bulwiengesa AG, Herbst-Report 2020. Befragung der Mitglieder der Initiative Micro-Living (IML) 0 1 2 3 4 5 6 7 Nie Später als 2022 2022 Im 2. Halbjahr 2021 Im 1. Halbjahr 2021 Im Q4/2020 Ist bereits wieder erreicht 220 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | IMMOB I L I EN – S E RV I C ED APAR TMENT S FOTO : © CHR I S TOF MAT T E S

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