Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

dem Ausbruch der Coronakrise. Eine nur sehr langsame Normalisierung wie nach 2008 erscheint Raviol hier als das wahr- scheinlichste Szenario. Alte und neue Nachfrage Im Gegensatz zum geschrumpften Ange- bot ist die Nachfrage nach impliziter Volati- lität allerdings ausgesprochen robust. Schließlich ist der Absicherungsbedarf der Marktteilnehmer angesichts rekordhoher Aktienstände nur zu verständlich. Auch dies ist allerdings ein typisches Muster nach Kri- sen und war nach 2008 für mehrere Jahre zu beobachten. Die rapiden Verluste und die über die letzten Monate immer noch unsi- chere Lage bezüglich der Virusentwicklung beziehungsweise den weiteren Maßnahmen auf fiskalischer und monetärer Seite haben hier zu einer nachhaltig erhöhten Nachfrage nach Optionalität und damit nach Volatilität geführt. Dabei waren von institutionellen Investoren insbesondere Instrumente zur Ab- sicherung gegen weitere Markteinbrüche, et- wa weit aus dem Geld liegende Puts, ge- fragt. Zusätzlich zu diesem wahrscheinlich längerfristigen Trend bei Institutionellen führt aktuell auch das sprunghaft gestiegene Handelsvolumen von amerikanischen Pri- vatanlegern zu einer starken Nachfrage nach impliziter Volatilität. Die Spekulation mit Call-Optionen auf Einzeltitel ist seit der Sen- kung der Handelskosten auf null und dem Auftreten von neuen Brokern à la Robinhood um ein Vielfaches gestiegen. Besonders nach dem März 2020 beschleunigte sich die- se Entwicklung und fand mit den Spekula- tionen auf kleine, stark leerverkaufte Aktien Anfang 2021 ihren vorläufigen Höhepunkt. Wie nachhaltig diese Entwicklung ist, kann heute noch nicht endgültig gesagt werden. Laut Raviol erscheint eine mittelfristig höhe- re Nachfrage nach impliziter Volatilität aller- dings plausibel. Summa summarum trifft also eine hohe Nachfrage nach impliziter Volatilität auf ein geringeres Angebot an ebendieser. Konsequenz daraus ist, dass die Normalisierung des Volatilitätsmarktes dies- mal wahrscheinlich längere Zeit als in der Vergangenheit benötigen wird. Der Aus- gleich von Ungleichgewichten bei Angebot und Nachfrage führt wie bei allen Gütern, wo noch der freie Markt regiert, über den Preis, sprich: die Versicherungsprämie (VPR) ist mangels einer größeren Anzahl vom Versicherungsunternehmen (Short-Vo- latility-Fonds) eine höhere, und zwar so lange, bis deren relative Attraktivität neue Player auf das Spielfeld lockt, die wieder mehr Versicherungskontrakte schreiben. Bis dahin können die im Markt verbliebenen Player höhere Volatilitätsrisikoprämien lu- krieren. Das tun diese selbstredend nur allzu gern, können sie dadurch doch die Verluste aus dem Schadensfall vom Februar/März 2020 schneller wieder aufholen. Doppelte Prämie Betrachtet man die Volatilitätsrisikoprä- mie, also die Differenz aus impliziter und realisierter Volatilität, über die letzten 15 Jahre, so betrug diese im Schnitt 3,6 Pro- zent im Jahr. Von März bis Dezember 2020 war das Niveau der VRP allerdings deutlich erhöht und betrug zirka acht Prozent. Damit lag sie sogar höher als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, denn in den beiden Folgejahren 2009 und 2010 belief sie sich durchschnittlich auf 6,7 Prozent. In den ers- ten Monaten 2010 ist ein leichter Rückgang auf rund 7,7 Prozent zu beobachten, was aber noch immer einem mehr als doppelt so hohen Niveau wie im Langfristschnitt ent- spricht. Das alles illustriert die Grafik „Nachbe- ben“ . Wie es scheint, braucht es eine gewis- se Zeit, bis die Nachwirkungen solcher Ver- werfungen ausklingen und Angebot und Nachfrage am Volatilitätsmarkt analog zur Zeit nach der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder auf das Niveau vor der Krise zu- rückfinden. So wie 2009 und 2010 sollten auch jetzt noch in der nächsten Zeit mit Short-Volatility-Strategien überdurchschnitt- liche Renditen geerntet werden können. Stress ist unter der – oberflächlich ruhi- gen – Börsenlandschaft für Aktien noch immer genug vorhanden. Da helfen auch Ankaufprogramme von Notenbanken und eine überschwappende Liquiditätsversor- gung nichts. Der Seismograf Volatilität hat sich noch nicht beruhigt, die Unruhe, abzu- leiten aus einer beim Doppelten des Vor- Stress-Niveaus liegenden Volatilitätsrisiko- prämie, eröffnet aber Neueinsteigern auf mittlere Sicht in Short-Volatility-Strategien Rückenwind durch höhere Ertragschancen bis zur endgültigen Marktberuhigung. Dazu kommt, dass diese Abklingphase diesmal sogar länger als nach 2008 dauern könnte, da die Risikotragfähigkeit vieler Marktteil- nehmer gelitten hat und eine Erhöhung des Angebots von Verkäufern impliziter Volati- lität wohl noch länger auf sich warten las- sen wird. Wie in anderen Assetklassen gilt auch für die Volatilität, dass man als Investor eine „Buy the Dip“-Strategie ver- folgen sollte: Denn abnormale Umstände, wo die realisierte Volatilität über der impli- ziten liegt und die VPR negativ ist, gehen in aller Regel rasch vorüber, weil sich ja sonst niemand mehr fände, der das Volatili- tätsrisiko versichert. Zudem hätte man mit dieser Strategie bereits ab März 2020 an den deutlich fetteren Volatilitätsrisikoprä- mien partizipieren können. Abgesehen davon hat Volatilität auf jeden Fall als Assetklasse im Rahmen der Asset Allocation als zusätzliche alternative Risiko- prämie ihre Daseinsberechtigung. DR. KURT BECKER Nachbeben Nach 2008 und ab März 2020 bleibt das Volatilitätsniveau für längere Zeit erhöht. Nach Krisen winken eine gewisse Zeit lang überdurchschnittlich hohe Volatilitätsrisikoprämien, die Short-Volatility- Fonds ernten können. Seit März 2020 ist wieder eine solche Periode angebrochen. Untersuchungszeitraum Januar 2006 bis März 2021. Quelle: Bloomberg, Lupus alpha -70 % -60 % -50 % -40 % -30 % -20 % -10 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % Negative Volatilitätsrisikoprämien Positive Volatilitätsrisikoprämien Volatilitätsrisikoprämie Mittelwert nach der Finanzkrise (2009/10) ca. 6,7 % Mittelwert Gesamtzeitraum ca. 3,6 % Mittelwert seit März 2020 ca. 8,0 % 2015 2020 2010 2005 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com 185 P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | R I S I KOPRÄMI E

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