Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

mit weniger zu erreichen, und damit sind Innovationen gefragt.“ Boer führt gegen- über der Redaktion das Beispiel Microsoft an: Wenn Unternehmen ihre IT-Infrastruktur in Microsofts Cloud auslagern, statt diese in eigenen Gebäuden zu betreiben, könnte über diese Zentralisierung der Hard- ware, wenn deren Strombedarf von erneuerbarer Energie gedeckt wird, der CO 2 -Fußabdruck um bis zu 90 Prozent reduziert werden. „Der Technologie- sektor war auch im ersten Quartal 2021 der Sektor mit dem höchsten Gewicht aktiver ESG-Strategien. Die Geschäfts- modelle haben durch die Coronakrise und dem Bedarf an Digitalisierung auch fernab des ESG-Themas das Interesse der Anleger auf sich gezogen“, ergänzt Da- niel Sailer, Sustainable Investment Office bei Metzler Asset Management. Starker Rückenwind Starken Rückenwinds erfreuen sich nicht nur Technologieunternehmen, sondern auch Unternehmen aus Sektoren wie erneuerbare Energien . Aufgrund des robusten struktu- rellen Wachstumspotenzials sei für viele Unternehmen eine langfristig hohe Bewer- tung gerechtfertigt, erklärt Deser. „Hinzu kommt, dass es besonders für den Struktur- wandel in der Energiewirtschaft eine breite gesellschaftliche Unterstützung gibt – mit der neuen Regierung in Washington jetzt auch wieder in den USA. Der Klimawandel ist ein ungelöstes Problem, das uns noch über Jahrzehnte beschäftigen wird. Der Trend zu erneuerbaren Energien sollte also längerfristig tragen, denn die Technologie zur Lösung des Problems ist vorhanden.“ Aus diesen Gründen wird laut Andrea Carzana, Portfoliomanager für europäische Aktien bei Columbia Threadneedle Invest- ments, viel öffentliches und privates Kapital in alle jene Unternehmen fließen, die bei der Erreichung des geplanten Netto-Null- Emissionsziels im Jahr 2050 mithelfen: „Viele dieser Firmen, die das ermöglichen, werden sehr viel Wachstum sehen.“ Ein hö- heres Wachstum rechtfertigt auch für Carza- na eine höhere fundamentale Bewertung dieser Unternehmen. Metzlers Sailer führt noch einen weiteren Grund an, warum Investoren ESG-Aktien eine höhere Bewertung zugestehen sollten. „Unsere eigenen Analysen zeigen, dass nachhaltige Unternehmen über günstigere Refinanzierungskosten verfügen, zum Bei- spiel gemessen an der Weighted Average Cost of Capital. Dies wird sich künftig noch verstärken, da weitere signifikante Investi- tionsströme zum Beispiel über den EU Green Deal nachhaltigen Unternehmen zu- gutekommen. Ob ESG-Aktien überteuert sind, gilt es zu hinterfragen.“ Vor dem Hin- tergrund, dass Unternehmen mit nachhalti- gen Lösungen und disruptiven Technolo- gien, zum Beispiel in den Bereichen Digita- lisierung, Plastikalternativen, Biokraftstoffe oder erneuerbare Energien, aufgrund großer Absatzchancen höhere Bewertungen ver- dienten, erklärt Sailer: „Es bedarf entspre- chend einer qualitativen Analyse. Quantitati- ve Kennzahlen wie zum Beispiel KGV oder Kurs/Buchwert sind in diesen Fällen kein Maßstab. In diesen teils jungen und dynami- schen Industrien fehlt eine Historie; entspre- chend schwierig bis unmöglich ist das Her- anziehen traditioneller Bewertungskennzah- len, welche der Entwicklung nicht gewach- sen sind.“ Mit vergleichbaren Argumenten wurden übrigens Ende der 1990er-Jahre die hohen Bewertungen vieler Internet- oder Technologieaktien begründet. Angesichts der Stärke des Megatrends in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz könnte es dieses Mal aber doch „anders“ sein, und In- vestoren müssten keine längerfristige Under- performance bei ESG-Aktien befürchten. Deser sagt: „Natürlich kann es bei den ak- tuellen Bewertungen durchaus zu Korrektu- ren bei einzelnen Unternehmen kommen. Deshalb sind ein kontinuierliches Monito- ring der Entwicklungen und ein aktives Ma- nagement auf Einzeltitelebene notwendig. Aber eine längerfristige Underperformance in der Breite erwarten wir nicht. Dafür sind die unterliegenden Trends zu stark.“ Aufnahmefähigkeit Angesichts dieses starken Trends und der damit einhergehenden Geldflüsse fragte die Redaktion die Asset Manager darüber hin- aus, ob der Markt beziehungsweise dessen ESG-Segment diese massiven Zuflüsse ver- dauen kann. Amundis Elmgreen bejaht die Frage da- mit, dass das ESG-Investmentuniversum groß genug ist und weiter wächst. Columbia Threadneedles Carzana sieht das ähnlich und nennt als Begründung dafür, dass im- mer mehr Unternehmen nachhaltiger wer- den und damit für aktive Fondsmanager genug Opportunitäten entstehen, die die hohen Zuflüsse in Richtung dieser Firmen zu lenken. Für Deser ist der Markt für nach- haltige Anlagen ebenfalls aus heutiger Sicht groß genug, sofern dessen Grenzen weiter gesteckt werden. „Denn Konzerne mit einer glaubhaften Transformationsstory sind ebenfalls als nachhaltige Investments zu betrachten, auch wenn das Ziel noch nicht erreicht ist.“ Sailer setzt das ESG-Segment ins Ver- hältnis zur Gesamtmarktgröße: „Analysen von Morgan Stanley sehen den Anteil von ESG-Aktien- und -Rentenfonds am globa- len Gesamtmarkt bei aktuell zirka 25 Pro- zent. ESG-Aktienfonds repräsentieren mit knapp 70 Prozent den größten Anteil. Diese Zahlen zeigen, dass der Markt in Gänze weitere Gelder verdauen kann.“ Darüber hinaus kommt dem ESG-Uni- versum zumindest bis dato zugute, dass trotz aller Vereinheitlichungsbestrebungen der Regulatoren aktive Nachhaltigkeits- fondsmanager eine unterschiedliche Her- angehensweise bei der Aktienauswahl haben. Daher gibt es für Neuberger-Ber- man-Fondsmanager Boer noch reichlich Auswahl an ESG-Aktien. „Hilfreich ist der- zeit die enorme Vielfalt an ESG-/Nachhal- tigkeits-Terminologie und -Methodologie. Wenn wir aber alle das Gleiche machen würden, könnten ESG-Aktien ein sehr über- laufenes und überhitztes Marktsegment werden.“ ANTON ALTENDORFER » Die hohe Nachfrage trifft auf ein begrenztes Angebot, weshalb die Bewer- tungen bereits stark gestiegen sind. « Dr. Thomas Deser, Senior Portfolio Manager bei Union Investment 178 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | E SG - B L A S E FOTO : © UN I ON I NV E S TMENT

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