Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

de 400.000 ausgelieferte Modelle kam. Aber nicht nur Aktien, die mit Elektromo- bilität zu tun haben, sondern auch viele Wind- und Solaraktien oder „grüne Versor- ger“ wie beispielsweise der österreichische Verbund sind mit ihren Kurs-Gewinn- oder Kurs-Cashflow-Verhältnissen in- zwischen weit von jeder historischen Norm entfernt. „Weil sie realistischen Ertragserwartungen vielfach bereits zu weit vorausgelaufen sind, könnte eini- gen ,grünen Aktien‘ nun ein ähnliches schmerzhaftes Schicksal drohen, wie es Anleger mit den zwischen 2004 und 2007 populären Aktien des Solarbooms erleiden mussten“, erinnert Bernhard Matthes, Bereichsleiter BKC Asset Ma- nagement und Portfoliomanager des BKC Treuhand Portfolios. Er hält fest: „Kein Segment des Kapitalmarktes ist immun gegen eine Blasenbildung, wenn zu viel Geld in ein ,Thema‘ fließt – und seien dessen Zukunftsaussichten auch noch so vielversprechend.“ Versteckte Risiken Neben der Gefahr, bewertungstechnisch zu teuer einzusteigen, droht Nachhaltig- keitsinvestoren das Risiko, aufgrund einer drohenden Herdenmentalität gemeinsam mit anderen ESG-Anlegern nur in einer Handvoll Aktien allokiert zu sein. Das könnte spätestens dann ein Problem wer- den, wenn sich der Wind am Markt oder zumindest bei einzelnen Aktien drehen soll- te: Im Fall einer ESG-Rating-Verschlechte- rung eines Unternehmens würden Investo- ren aufgrund von unlimitierten Fire Sales anderer Marktakteure aus der betroffenen Aktie wohl nur mit erheblichen Kursab- schlägen herauskommen und damit im schlechtesten Fall Gefahr laufen, ihre Ren- diteziele auf Gesamtportfolioebene nicht zu erreichen. Das Risiko eines zu engen ESG-Anlage- universums besteht laut Adrian Vlad, Co- Leiter der Nachhaltigkeits-Strategie, und Sebastien Maillard, Leiter der systemati- schen Vermögensallokation bei Zadig Asset Management, beispielsweise bei europäi- schen Aktien – obwohl Europa für sich reklamiert, gerade beim Thema Nachhaltig- keit auf globaler Ebene eine Vorreiterrolle einzunehmen. Laut den beiden Zadig-AM- Experten gibt es im europäischen Nach- haltigkeitsuniversum weniger als 75 Unter- nehmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens einer Milliarde Euro, deren Umsatz zu 90 bis 100 Prozent aus nachhal- tigen Produkten oder Dienstleistungen stammt. Darüber hinaus befinden sich 70 Prozent dieser erwähnten Nachhaltigkeits- unternehmen im Gesundheitssektor. Die Gelegenheiten außerhalb dieser Industrie konzentrieren sich also auf gerade einmal 20 bekannte und bereits gut investierte Unternehmen, halten Vlad und Maillard fest. Diese Marktenge führt über massive Zuflüsse von Investorengeldern zu Überhit- zungsanzeichen: So ist laut Zadig AM die Neubewertung der europäischen Nachhal- tigkeits-Champions in den vergangenen drei Jahren zweimal so stark ausgefallen wie bei Unternehmen, die einen geringeren Anteil ihres Umsatzes mit nachhaltigen Produkten oder Dienstleistungen erzielen. Darüber hinaus monieren Vlad und Mail- lard bei ESG-Aktien eine Tendenz in Rich- tung „Growth“-Faktor. Dies könnte in einem Umfeld steigender Zinsen oder bei einem Comeback von Value-Aktien zusätz- liche Verlustrisiken schaffen und gerade dann die knappen institutionellen Risiko- budgets belasten, wenn aufgrund höherer Zinsen die Rententangente unter Stress steht. Einen Vorgeschmack darauf bekamen ESG-Anleger bereits im ersten Quartal die- ses Jahres. Steigende Zinsen und Um- schichtungen in Richtung Substanzwerte belasteten nicht nur die großen Technolo- giewerte, sondern brachten auch die Kurse vieler heißgelaufener ESG-Aktien zwi- schenzeitlich unter Abgabedruck, bevor sich deren Kurse nach abgeschlossener Korrek- tur wieder nach oben entwickelten. Dass sich Investoren insbesondere bei jenen ESG-ETFs, die sich möglichst an den großen, klassischen Aktienbenchmarks ori- entieren (und nur die „schmutzigsten“ In- dexunternehmen exkludieren), aufgrund der hohen Marktkapitalisierung vieler Techno- logiefirmen in vielen Fällen den Faktor „Growth“, aber auch „Quality“ ins Portfolio holen, zeigt ein exemplarischer Blick auf die Top-Positionen des oben erwähnten neu gestarteten BlackRock U.S. Carbon Transi- tion Readiness ETF: Die am stärksten gewichteten Firmen im ETF sind Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Facebook und Tesla. Eine Übergewichtung von Tech- nologieaktien könnte ein Risiko darstellen“, erklärt Amundis Elmgreen. Er fügt hinzu: „Ich denke, bei einigen Technologiekonzer- nen bestehen signifikante ESG-Bedenken, die manchmal übersehen werden.“ Hoffnung auf Fortschritt Eine Lanze für diese Unternehmen bezie- hungsweise zumindest für deren Produkte bricht hingegen Hendrik-Jan Boer, Mana- ging Director und leitender Portfoliomana- ger des Neuberger Berman Global Sustain- able Equity Fund, für den gerade Techno- logie und Wissenschaft der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme sind: „Technologie ist der primäre Pfad für eine effizientere Wirtschaft. Nachhaltigkeit bedeutet, mehr » Einige ESG-Aktien weisen bei den derzeitigen Kursen luftige Bewertungen auf. « Kasper Elmgreen, Head of Equity Investment Platform, Amundi » Populären, wenig rentablen Aktien hinterherzulaufen führt unweigerlich ins Unglück. « Hendrik-Jan Boer, Managing Director und leitender Portfoliomanager des Neuberger Berman Global Sustainable Equity 176 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | E SG - B L A S E FOTO: © EQUITY INVESTMENT PLATFORM, AMUNDI, NEUBERGER BERMAN GLOBAL SUSTAINABLE EQUITY

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