Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

damaligen Entwicklung gelernt hat. Und dann zeigt ein genauerer Blick, dass sich gerade im europäischen ABS-Sektor vieles auch wieder durchaus relativiert hat, ganz im Gegensatz zur Situation in den USA. Es gab natürlich auch hier einen zeitweise starken Preisverfall. Der hat sich aber gar nicht in Aus- fällen realisiert. Gerade bei besser gerateten ABS-Investments gab es gar keine Ausfälle. Auf unser The- ma bezogen stellt sich daher die Frage, ob nichts tun denn wirklich die bessere Alternative wäre. Harald Eggerstedt: Hinzu kommt, dass wir es heute im Bereich Private Debt gerade nicht mehr mit solchen komplexen Verpackungen zu tun haben wie damals. Zumindest haben wir heute einen guten Einblick in die entsprechenden Darlehensportfolios. Auch die sind mit Sicherheit zum Teil schwer einzuschätzen, und es ist sicher nicht leicht zu sagen, welcher Manager am Ende die besten Dar- lehen vergeben kann. Aber wir haben nicht das Problem, dass wir es mit Hunderten oder gar Tausen- den verschiedenen Exposures zu tun hätten, die wir irgendwie aggre- gieren müssten, ohne deren Korre- lationen zu kennen. Die besondere Schwierigkeit dieser inzwischen vollzogenen Neuaufstellung des gesamten Marktes besteht eigentlich darin, dass die Entscheidungsfindung für den In- vestor scheinbar komplexer geworden ist. Denn früher hat er einfach „nur“ ein Wert- papier gekauft, das zudem auch noch ein Bonitätsrating besaß. Deshalb glaubte er, sich um gar nichts kümmern zu müssen. Heute muss er, wie in unserer Diskussion mehrfach angeklungen ist, zumindest ein Grundverständnis für eine durchaus kom- plexe Anlageform namens Private Debt mitbringen. Hans Heuser: Wie sieht denn Ihr Blick nach vorn aus? Harald Eggerstedt: Angesichts der enormen Stimuli, wie wir sie in den USA beobach- ten, ist nur schwer vorstellbar, dass es beim aktuellen Zinsniveau bleiben wird. Und auch die Inflation wird deutlich an Tempo zulegen. Europa hinkt da noch ein wenig hinterher, aber früher oder später werden auch wir einen Anstieg bei Zinsen und Inflation erleben. Das wird dann schon zu einem Test werden, bei dem sich zeigen wird, wie solide bestimmte Unternehmen aufgestellt sind und ob sie höhere Finan- zierungskosten stemmen werden können. Eine insgesamt gut laufende Konjunktur muss nicht unbedingt zu großen Verwer- fungen führen, aber es wird zu einer Fort- setzung des Strukturwandels kommen, in dessen Folge einige Teilnehmer wieder aus dem Markt ausscheiden werden müssen. Das betrifft aber genau den Markt, in dem das Kapital, das Private-Equity-Häuser angesammelt haben, dann auch abgerufen wird. Daher bedeutet das insgesamt nicht unbedingt eine Bedrohung für die Private- Debt-Seite als Partner von Private Equity, der bei diesem Strukturwandel verstärkt in Aktion tritt. Olaf John: Aus der Perspektive eines Investors betrachtet, führt die aktu- elle Situation natürlich zu einer gewissen Verunsicherung. Es be- stehen spürbare Ängste – nicht nur in Bezug auf die weitere Zinsent- wicklung, auch bezüglich eines Anziehens der Inflation. Und nicht zuletzt besteht auch Unsicherheit darüber, was die künftige Kursent- wicklung an den Aktienmärkten betrifft. In einem solchen Umfeld ist eines klar: Das, was während der vergangenen zehn Jahre gut funktioniert hat, wird in den nächs- ten zehn Jahren nicht mehr funk- tionieren. Aber zu allen drei The- men hat der Private-Markets-Be- reich durchaus etwas zu bieten. Was die Zinsbindung angeht, so arbeiten viele der entsprechenden Produkte mit kurzen Laufzeiten oder ganz variablen Zinsen, was mögliche Gefahren auf der Kurs- seite im Zaum hält. Infrastruktur- anlagen und Immobilien sind inter- essant aufgrund ihrer Möglich- keiten zum Inflationsausgleich. Und über den Bewertungsvorteil von Private-Debt-Investments gegenüber Aktienanlagen haben wir ausführlich gesprochen. Des- wegen sind die Antworten zu den drei wesentlichen Befürchtungen, die ich angesprochen habe, meiner Meinung nach im Bereich Private Markets zu finden. Alexander Bode: Wir sollten allerdings eines nicht unterschätzen: nämlich dass wir auch im Bereich Private Credit zu langfristigen Ausfallraten von knapp unter einem Prozent zurückkehren werden, auch wenn wir seit 2012 in Europa praktisch keine Ausfälle erlebt haben. Ich gehe allerdings davon aus, dass in den nächsten beiden Jahren be- stimmte Geschäftsmodelle steigende Zinsen auf ein zusätzlich angehäuftes Fremdkapital einfach nicht mehr bedienen werden kön- nen. Aber ist das eine große Bedrohung? Nein, denn im Grunde kehren wir wieder zum Mittelwert zurück. Das mag schmerz- haft sein, ist aber nicht bedrohlich. Es ist eher eine Bestätigung des Systems. Wir bedanken uns für das Gespräch. HANS HEUSER F OTO : © CH R I S TO P H H E MM E R I CH » Wie überzeugen Sie Ihre Kunden davon, die Erinnerung an 2008 und die Zeit davor und danach ad acta zu legen? « Hans Heuser, Institutional Money 150 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : ROUNDTABL E | CONSULTANT S

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