Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

vor und nach den ETF-Listings zu gewähr- leisten. Zudem entfällt dadurch der poten- ziell verzerrende Kostenfaktor. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind eindeutig. Eine wirkliche Outperformance von Smart-Beta-Indizes gab es insgesamt nur im Backtest. So lag das CAPM-Alpha in der Zeit vor dem jeweiligen ETF-Listing im Durchschnitt bei 2,77 Prozent im Jahr. Im Mittel lagen dieser Berechnung 13 Jahre an vorhergehenden Daten zugrunde. Direkt nach Auflage der jeweiligen ETFs wendete sich das Blatt. Es ergab sich eine signifi- kante Unterrendite der Indizes mit einem CAPM-Alpha von durchschnittlich minus 0,44 Prozent pro Jahr. Im Mittel lagen die- ser Berechnung sechs Jahre an Daten nach den entsprechenden Listings zugrunde. Erklärung gesucht Die Frage ist nun, ob dieses Ergebnis tatsächlich auf übertriebenes Data Mining zurückzuführen ist. Zunächst betrachten die Forscher drei andere Erklärungsansätze: Strategisches Timing: Auflage der ETFs ▪ im Anschluss an eine zuletzt hohe (Out-) Performance des jeweiligen Faktors. Die Mean-Reversion-Natur der Faktorprä- mien würde dann für eine Underper- formance sorgen. Allerdings ergibt die Bereinigung der Ergebnisse um die fak- torspezifischen Renditevariationen ein nahezu unverändertes Bild, sodass diese Erklärung ausscheidet. Allgemeiner Trend abnehmender Faktor- ▪ prämien: Underperformance durch Ero- sion der Prämien im Zeitablauf. Dem erteilen die Autoren jedoch eine Absage. Zum einen betrachten sie entsprechend bereinigte Benchmarks. Und zum ande- ren ist aus einschlägigen Studien be- kannt, dass die allgemeine Erosion von Faktorrenditen viel geringer ist. Flows nach Auflage der ETFs: abneh- ▪ mende Skaleneffekte infolge hoher Mit- telzuflüsse. Doch auch das lässt sich nicht bestätigen, da ETFs mit geringeren Assets under Management nach Auflage sogar eine stärkere Abnahme der Rendi- ten verzeichnen. Verdacht bestätigt Als letzte Erklärung betrachten die Auto- ren schließlich das beschriebene Data-Mi- ning-Argument, das sie klar bestätigen kön- nen. Besonders anfällig sind demnach Indi- zes, die mehrere Faktoren kombinieren, da es hier noch mehr Möglichkeiten zur „Op- timierung“ gibt als bei einzelnen Faktoren. Entsprechend sehen hier die Backtests am besten aus, aber die Performance nach Auflage der entsprechenden ETFs ist am schlechtesten. Zudem gibt es in diesem Seg- ment – sicher nicht ganz zufällig – auch die meisten Smart-Beta-Produkte. Besser fallen die Ergebnisse für klassische Value- und Growth-ETFs aus, obwohl auch hier nach Auflage ein kleiner Knick in der Perfor- mance zu beobachten ist. Grundsätzlich ist zu beachten, dass Smart-Beta-ETFs zumin- dest etwas höhere Gebühren aufweisen als marktbreite Core-Produkte, was im Lauf der Zeit ebenfalls zulasten der erzielten Per- formance geht. Mehrheitlich keine Mehrrendite Die Mehrheit der Smart-Beta-ETFs erzielt keine Mehrrendite. Eher im Gegenteil: Selbst vor Kosten ist auf Indexebene im Durchschnitt eine Underperformance nach Auflage der Produkte zu beobachten. Das bekräftigt die Vermutung, dass zur Auflage von Smart-Beta-ETFs systematisch Index- varianten ausgewählt werden, die besonders attraktive Backtests aufweisen – mit dem Ziel, auf diese Weise entsprechend höhere Zuflüsse zu erzielen. Aus Anlegersicht wäre es dagegen besser, diejenigen Indexkonzepte auszuwählen, die ein den Forschungsarbeiten möglichst gut entsprechendes Faktor-Expo- sure bieten. Dann wäre es auch wahrschein- lich, dass die Anlageergebnisse den Erwar- tungen der zitierten Studien entsprechen. Interessant ist auch die Frage, ob sich ETF- und Indexanbieter des Data-Mining- Problems bewusst sind. Die Studienautoren gehen grundsätzlich davon aus, dass das der Fall ist. Zwar können sie nicht ganz aus- schließen, dass es unbewusst geschieht, aber angesichts der klaren Ergebnisse wäre das sehr überraschend. Zudem würden die Anbieter inkompetent aussehen, wenn sie diesen offensichtlichen Effekt nicht schon längst erkannt hätten. Eine abschließende Überlegung geht in Richtung der „unabhängigen“ Indexanbieter. Die gängige Konstellation, dass ETFs einen von externer Stelle berechneten Index abbil- den, stellt im Zusammenhang mit der be- trachteten Studie eine Scheintransparenz dar. Denn letztlich dürfte klar sein, dass sich Indexanbieter kaum dem (Verkaufs-)Druck seitens der ETF-Industrie entziehen können – und entsprechend mitspielen, also mög- lichst „optimale“ Referenzindizes liefern. DR. MARKO GRÄNITZ » Die Smart-Beta-Illusion scheint auf Data Mining in der Strategieerstellung zu beruhen. « Yang Song, Assistant Professor, Foster School of Business, University of Washington Ergebnisse für weitere Märkte Untersuchungen an internationalen Märkten bestätigen die US-Ergebnisse. Zeitraum Vorher Nachher Differenz Alle Jahre 3,02 %*** (15,07) -0,15 % (-0,38) -3,17 %*** (-5,80) 1 Jahr 0,74 % (0,77) 0,14 % (0,15) -0,60 % (-0,67) 2 Jahre 1,70 %*** (3,02) 0,16 % (0,26) -1,54 %*** (-3,13) 3 Jahre 1,75 %*** (4,26) 0,25 % (0,53) -1,50 %*** (-2,81) Die Tabelle zeigt die durchschnittlichen annualisierten CAPM-Alphas der Smart-Beta-Indizes beziehungsweise ETFs an internationalen Märkten (Europa, Kanada, Australien, Großbritannien) vor und nach den entsprechenden ETF-Starts mit Daten bis Dezember 2018. Die Anzahl der Sterne bezeichnet die Signifikanzniveaus von zehn Prozent (*), fünf Prozent (**) und einem Prozent (***) mit den zugehörigen t-Statistiken in Klammern. Quelle: Huang, S. / Song, Y. / Xiang, H. (2020), The Smart Beta Mirage, S. 41 126 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | SMAR T BE TA

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