Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

W enn es darum geht, einen Mehrertrag gegenüber klassischen Indizes be- ziehungsweise Bench- marks zu erzielen, schielen Investoren re- gelmäßig auch auf Faktorstrategien. Der Grund dafür, dass dieser Vor- schlag beinahe reflexartig auftaucht, ist, dass viele Faktoren als gut unter- mauert gelten, was die wissenschaft- liche Evidenz angeht. Die promi- nentesten von ihnen – Value, Size und Momentum – wurden schon vor rund 30 Jahren nachgewiesen und in heute noch eingesetzte Kapi- talmarktmodelle zur Erklärung von Renditen integriert. Es ist also kein Wunder, dass diese Faktoren im Lauf der Zeit breite Bekanntheit und Akzeptanz erlangten. Publikationsdruck Neben den anerkannten Main- stream-Faktoren hat die Forschung auch eine Vielzahl weiterer Effekte hervorgebracht, die mehr oder weni- ger deutlich nachgewiesen wurden. Dabei gibt es zwei Kritikpunkte: Zum einen sind angesichts des recht umfangreichen „Faktor-Zoos“ große Überschneidungen zwischen den einzelnen Effekten zu beobachten. Schätzungen gehen von bis zu 400 bekannten Faktoren aus, die sich in wissenschaftlichen Publikationen finden lassen. Es dürfte klar sein, dass nicht jeder davon einen einzig- artigen Erklärungsgehalt besitzt. Stattdessen lassen sich die meisten Effekte zu großen Teilen auf bereits bekannte, etablierte Faktoren zurück- führen. Das bedeutet auch, dass viele der neu entdeckten Faktoren dem Publikationsdruck der Wissenschaft- ler geschuldet sein könnten, aber kei- ne wirklich praktische Relevanz haben. Das führt zum zweiten Kritikpunkt: „Traue kei- ner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ klingt zwar übertrieben, Fakt ist je- doch, dass genau dieser Publikationsdruck dazu führt, dass statistisch signifikante Fak- toren herbeigetestet werden. Insgesamt dürfte das die Existenz zumindest eines Teils des Faktor-Zoos erklären. Verkaufsdruck Keinen Publikationsdruck, aber dafür Verkaufsdruck verspüren die Anbieter von Investmentprodukten: Sie müssen möglichst sicherstellen, dass diese im institutionellen Bereich gut aufgenommen werden und sich entsprechend vertreiben lassen, um Assets in nennenswertem Umfang einsammeln zu können. Hier kommt es natürlich gelegen, dass viele Faktoren wis- senschaftlich untermauert sind, was einen Vertrauensvorschuss seitens der Investoren bedeutet. Die Erforschung der Faktorprä- mien führte deshalb dazu, dass sich ETF-Anbieter auf diesen Bereich fokussierten. Das wissenschaftliche Fundament spielte dabei eine wich- tige Rolle. Nicht selten zitierten die Anbieter entsprechende Studien, um die jeweiligen Effekte zu belegen und so Vertrauen und Glaubwürdig- keit zu schaffen. Und das erscheint auch gerechtfertigt, wenn man be- denkt, dass klassische ETFs einfach nach Marktkapitalisierung gewichte- te Indizes abbilden, ohne dass dabei besondere Erkenntnisse aus der Wis- senschaft einfließen. Entsprechend wurden Smart-Beta-ETFs, die es in den USA seit rund 20 Jahren gibt, ein Erfolgsmodell. BlackRock pro- gnostizierte schon vor fünf Jahren, Faktorstrategien sind wissenschaftlich fundiert und erfreuen sich, verpackt als Smart-Beta-ETFs , hoher Bekanntheit. Doch nicht immer performen sie im Live-Betrieb so, wie es anhand der Rückrechnungen zu erwarten war. Eine Studie zeigt, wie es zu dieser Smart-Beta-Illusion kommt. Beispiel für Data Mining Traue keinem Backtest, den du nicht selbst optimiert hast. Die Grafik zeigt die kumulative Rendite zweier Smart-Beta-Indizes relativ zu einem Marktindex. Beide Smart-Beta-Indizes bilden den gleichen Faktor ab, wobei der orangefarbene Verlauf die ursprünglich im Dezember 1997 erstellte Variante zeigt. Im Dezember 2014 führte der Indexanbieter den rot dargestellten verbesserten Index ein. Während die ursprüngliche Variante bis dahin keine Outperformance erzielte, sah die neue Version rückblickend deut- lich besser aus. Kurz darauf wurde ein Smart-Beta-ETF aufgelegt, der den neuen Index abbildete. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die bessere Performance nur im Backtest auftrat. Direkt ab Auflage erzielte das Produkt eine Underperformance. Quelle: Huang, S. / Song, Y. / Xiang, H. (2020), The Smart Beta Mirage, S. 5 0,75 1,00 1,25 1,50 1,75 2019 2015 2010 2005 2000 1997 „Verbesserter“ Smart Beta Index Ursprünglicher Faktorindex Auflage des ETF Relative Rendite gegenüber Marktindex » Smart-Beta-Strategien haben hervor- ragende Backtests, aber enttäuschen nach Start der jeweiligen ETFs. « Yang Song, Assistant Professor, Foster School of Business, University of Washington Smart Backtest statt Smart Beta 124 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | SMAR T BE TA FOTO : © UN I V E R S I T Y OF WA S H I NGTON, M . DÖR R & M . F ROMMHE R Z | S TOCK . ADOB E . COM

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