Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

teils von 0,2 Prozent. Die Forscher schät- zen, dass die aggregierte US-Marktkapitali- sierung im zweiten Quartal 2020 ohne die Robinhood-Trader um etwa ein Prozent niedriger gewesen wäre. Sie stellten nicht nur während des vorherigen Crashs Liqui- dität bereit, sondern beschleunigten auch die anschließende Erholungsbewegung. Und das ist noch nicht alles: Die Autoren schreiben, dass die Kurse beim kleinsten Quintil von US-Aktien ohne den beobach- teten Anstieg der Retailaktivität um ganze 20 Prozent niedriger gelegen hätten (siehe Grafik „Relative Preiseffekte“) . Das folgt daraus, dass der Schwerpunkt der unter- suchten Handelsaktivitäten im Small-Cap- Bereich liegt, wo der Einfluss auf die Preise deutlich höher ist. Doch auch bei Large Caps war ein messbarer Einfluss zu beob- achten, sodass sich die Retailaktivität letzt- lich sogar in der Performance passiver in- stitutioneller Anleger bemerkbar machte. Das deutliche Ergebnis ist angesichts der eher geringen Assets bei Robin- hood erstaunlich. Die Autoren schätzten diese auf 65 Milliar- den US-Dollar (13 Millionen Konten per Mai 2020 unter An- nahme einer durchschnittlichen Kapitalisierung von 5.000 US- Dollar). Die Studie ist deshalb auch im Zusammenhang mit wirtschaftspolitischen Entschei- dungen wie den Cash-Zahlun- gen an US-Bürger im Rahmen des CARES Act relevant: Unter Annahme eines gewissen An- teils, der statt in den Konsum direkt an die Märkte fließt, könnte daraus ein signifikanter Kurseffekt resultiert haben. Im Extremfall könnte es sogar da- zu beitragen, dass sich die Kur- se von ihren Fundamentaldaten entfernen, was sicher nicht im Interesse des Erfinders war. Aufmerksamkeit treibt Eine Frage blieb in der bisherigen Be- trachtung unberücksichtigt: Wie gut oder schlecht schneiden die Robinhood-Trader selbst mit ihren Geschäften ab? Das unter- suchte die von vier Autoren um Christopher Schwarz verfasste Studie „Attention Indu- ced Trading and Returns“, die ebenfalls Ro- binTrack- in Verbindung mit CRSP- und TAQ-Daten betrachtet. Den Forschern zufolge sind Robinhood- Trader stärker durch Aufmerksamkeitseffek- te getrieben als andere Privatanleger. Das bedeutet, dass ihr Verhalten untereinander stärker korreliert, sie also eher zu Herding neigen. So waren im Untersuchungszeit- raum von 2. Mai 2018 bis 13. August 2020 ganze 35 Prozent der Nettokäufe von Ro- binhood-Usern in lediglich zehn Aktien konzentriert (gegenüber „nur“ 24 Prozent in der Gesamtgruppe von Privatanlegern). Die Autoren schreiben, dass dieses Her- ding wohl über die Koordination in Inter- netforen mitverursacht wurde. Gleichzeitig wird das Verhalten aber auch durch das Design der Trading-App gefördert. So führt die einfache Darstellung und Bedienung zu mehr Transaktionen, da schnell und pro- blemlos gehandelt werden kann und die Nutzer eher intuitiv agieren, statt kritisch über ihre Entscheidungen nachzudenken. Ein Beispiel ist die Top-Mover-Liste in der App. In dieser werden die am stärksten gestiegenen und gefallenen Aktien darge- stellt und von den Nutzern entsprechend häufig gehandelt. Keine Spesen, nichts gewesen? Zur Frage nach den Renditen der Ro- binhood-Trader finden die Forscher eine klare Antwort: Intensives, durch Auf- merksamkeitseffekte getriebenes Kauf- verhalten geht mit negativen Renditen einher. Für die am stärksten gekauften Aktien eines Tages – konkret die Top- 0,5-Prozent – liegt die Unterrendite auf Sicht der nächsten 20 Tage bei durch- schnittlich minus 4,7 Prozent (siehe Grafik „Renditen um Herding-Events“) . Für besonders extreme Fälle kleinerer Werte mit einer Marktkapitalisierung unter einer Milliarde US-Dollar wird der Effekt noch deutlicher: Im Subsample, bei dem die Anzahl der Nutzer innerhalb eines Tages um mehr als 750 Prozent steigt – insgesamt gibt es davon nur 45 Fälle im Datensatz –, beträgt die Unter- rendite im gleichen Zeitraum sogar durchschnittlich minus 19,6 Prozent. Auf die fehlen- den Kosten kann man das schlechte Abschneiden natür- lich nicht schieben. Wobei selbst unter Berücksichtigung des Handels auf Margin sowie von Zusatzservices, wofür Ro- binhood einen Aufschlag ver- langt, der dadurch erklärbare Anteil gering ausfallen dürfte. Allerdings ist fairerweise zu sagen, dass sich die Betrach- tungen der Studie auf stark eingegrenzte Samples und eine recht kurze Haltedauer bezie- hen, die dem klassischen kurz- fristigen Reversal entspricht. Die NBER-Studie „The Wis- dom of the Robinhood Relative Preiseffekte Deutlicher Einfluss der Privatanlegerwelle auf Kurse kleiner Aktien Die Grafik zeigt die relativen Preiseffekte , die Robinhood-Trader dem Modell nach auf Aktien unterschiedlicher Marktkapitalisierung hatten (unterschieden in fünf Size-Quintile). Wie intuitiv zu erwarten, war der Einfluss mit einer rund 20 Prozent höheren Bewertung bei den kleinsten Aktien am größten. Würde man Dezile betrachten, wäre der Effekt noch stär- ker: Die kleinsten zehn Prozent der Aktien notierten mehr als 40 Prozent höher, als ohne die Nachfrage seitens der Robinhood-Trader zu erwarten gewesen wäre. Quelle: Van der Beck, P. / Jaunin, C. (2021), The Equity Market Implications of the Retail Investment Boom, S. 34 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 1 kleinstes Size-Quintil 2 3 4 5 größtes Size- Quintil Relativer Preiseffekt Jän ’20 Feb Mär Apr Mai Jun » Robinhood-Trader neigen mehr als andere Privatanleger dazu, sich auf die gleichen Aktien zu stürzen. « Christopher Schwarz, Associate Professor of Finance, The Paul Merage School of Business, University of California N o. 2/2021 | www.institutional-money.com 121 T H E O R I E & P R A X I S | ROB I NHOOD

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