Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

deren multidimensionale Effekte für die KI- Leserschaft anpassen. Der Ton macht die Musik Nun ist es ja nicht damit getan, nur Texte zu analysieren, sondern es hängt auch viel vom Tonfall und der Stimmlage ab, also wie letztlich von Managern vorgetragen wird. Damit beschäftigt sich das Auto- renquartett in einem weiteren Abschnitt ihrer Arbeit. Mayew und Ventakacha- lam wiesen 2021 nach, dass der vokale Ausdruck von Managern in den klassi- schen Conference Calls inkrementelle Information transportieren kann, die für Analysten wertvoll ist. Dank der expo- nentiell steigenden Rechnerkapazität ist es heute möglich, Stimmanalysen durch Machine-Learning-Software durchfüh- ren zu lassen, um auch nur den kleinsten Unterton wahrnehmen zu können. Ein vor- tragender Manager muss heute also immer öfter in Betracht ziehen, dass er sowohl Analysten als auch Bots überzeugen können muss. Eine entsprechend trainierte Machine- Learning-Software ist in der Lage, vor al- lem zwei wichtige emotionale Features, die aus der Psychologie bekannt sind, aus Con- ference Calls herauszuarbeiten: Valenz (Wertigkeit) und Erregung, wobei Erstere für Positivität und zweitere für Aufge- regtheit der Stimme steht. Mit Valenz be- zeichnet die Sprachwissenschaft die Eigen- schaft eines Wortes oder einer Wortgruppe, andere Wörter oder Satzglieder an sich zu binden, Ergänzungen zu „fordern“ oder „Leerstellen zu eröffnen und die Besetzung dieser Leerstellen zu regeln“. Es zeigt sich, dass Manager von Firmen mit höherer er- warteter KI-Leserschaft mit ihrer Stimme mehr Positivität und Begeisterung vermit- teln. Das lässt auf spezielle Medientrainings mithilfe von Rhetorikexperten schließen, damit Topmanager ihre vokale Performance im Hinblick auf die quantifizierbaren und damit maschinell auslesbaren Kenngrößen verbessern. Resümee Die Studie von Cao, Jiang, Yang und Zhang befasst sich als eine der Ersten mit dem Feedback-Effekt von Machine Lear- ning. Solange die Regeln, nach denen die künstliche Intelligenz das geschriebene und gesprochene Wort decodiert, nicht gänzlich im Dunkeln bleiben – und das sind sie bei- leibe nicht, da diese Regeln meist transpa- rent und beobachtbar sind oder sich in einem gewissen Ausmaß rekonstruieren las- sen –, werden jene, die von den Auswir- kungen der KI-Analyseergebnisse betroffen sind, einen Anreiz dazu verspüren, die Inputs für Machine Learning zu manipulie- ren, um zu einem für sie möglichst günsti- gen Ergebnis zu gelangen. Gefordert sind hier die Investor-Relations-Abteilungen, die sich schon an den einen oder anderen Schöpfer algorithmischer Systeme gewandt haben sollen, um vorweg mehrere Text- entwürfe für Pflichtveröffentlichungen auf ihre Wirkung den maschinellen Lesern gegenüber testen lassen. Ähnliches ist denk- bar mit Tonkonserven, um CEOs und CFOs optimal auf Analysten-Conference-Calls vorzubereiten. Damit soll künftig ein opti- maler Effekt erzielt werden. Adaptives Ver- halten, etwa einen offenzulegenden Text maschinenfreundlicher zu gestalten, ist grundsätzlich unbedenklich oder sogar will- kommen zu heißen. Anders verhält es sich mit den Algorithmen geschuldeten Ände- rungen wie etwa dem Ausdruck von Begeisterung oder den Untertönen, die die Maschine bei ihrer Auswertung manipulie- ren sollen. Das erhöht den Druck auf die Algorithmen, in dem Sinne „manipulations- sicher“ zu werden, als sie lernen müssen, das strategische Verhalten der zu Meldun- gen verpflichteten Firmen zu antizipieren. Wie es aussieht, stehen wir hier am Anfang eines Wettrennens zwischen selbst- lernenden Algorithmen und dem Menschen, wo der Vorteil des einen durch die Strategie des anderen für eine Zeitlang wettgemacht werden kann, ehe der andere wiederum auf- und überholt. Kritiker sehen hierin die Gefahr einer Robotisierung des Menschen, wodurch jede Spontanität und Individualität im (maschinell auslesbaren) Conference Call oder bei der Formulierung von Ge- schäfts- und Quartalsberichten verloren geht. Ob man sich das wünschen soll? Die Frage ist wohl obsolet, denn die KI-Technik schreitet ungebremst voran. DR. KURT BECKER » Mithilfe künstlicher Intelligenz wird Sentiment aus Geschäfts- und Quartalsberichten extrahiert. « Baozhang Yang, Associate Professor of Finance am J. Mack Robinson College of Business an der Georgia State University Sentiment-Trend und maschinelle Downloads Struktureller Wandel im Wording bei Firmen mit hohen maschinellen Downloads ab 2011 Negative Wörter in den Geschäfts- und Quartalsberichten an die SEC werden seit 2011 von dem Drittel der US-Firmen mit den meisten maschinellen Downloads (1. Terzil, rote Linie) deutlich häufiger gemieden als von dem Drittel mit den wenigsten maschinellen Downloads (blau). Das liegt an dem 2011 verfassten Verzeichnis negativer Wörter von Loughran und McDonald (LM). Dargestellt ist diese Entwicklung anhand des Indikators „LM minus Harvard Sentiment“ über 13 Jahre für beide Terzile. Quelle: Studie -0,10 % -0,05 % 0 % 0,05 % 0,10 % I 2016 I 2015 I 2014 I 2013 I 2012 I 2011 I 2010 I 2009 I 2008 I 2007 I 2006 I 2005 I 2004 I 1. Terzil 3. Terzil 110 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | KOMMUN I KAT I ON FOTO : © GEORG I A S TAT E UN I V E R S I T Y

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