Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

nellen Lesbarkeit aufweisen. Des Weiteren können Cao, Jiang, Yang und Zhang be- legen, dass maschinelle Downloads und maschinelle Lesbarkeit gute Platzhalter (Proxies) für die Existenz von maschineller Leserschaft und maschineller Sprachver- arbeitung sind, denn Kauf- und Verkaufs- orders folgen schneller auf eine Veröf- fentlichung, wenn die Anzahl der maschi- nellen Downloads höher ist – und insbeson- dere dann, wenn interaktive Effekte in Bezug auf die maschinelle Lesbarkeit bestehen. Nachdem es den Autoren gelungen ist, eine positive Verbindung zwischen einer hohen Anzahl von maschinellen Textlesern und einer maschinenfreundli- cheren Berichterstattung herzustellen, untersuchen sie, wie Firmen das Pro- blem des Sentiments und des Tonfalls, die beide von den Maschinen aus den Dokumenten entnommen und ausgewertet werden, managen. Es ist gut dokumentiert, dass in den Pflichtmitteilungen versucht wird, die richtige Stimmung und den rich- tigen Ton für den menschlichen Leser zu treffen, ohne dabei explizit unehrlich oder offenkundig nichtkonform zu sein. Die Autoren erwarten, dass bezüglich der ma- schinellen Leser mit einer ähnlichen Strate- gie vorgegangen wird. Während Wissen- schaftler und Praktiker sich in der Vergan- genheit lang auf das psychosoziale Lexikon von Harvard verlassen haben, um ein Sen- timent zu konstruieren, wie es von den meisten menschlichen Lesern wahrgenom- men wird, indem man positive und negative Wörter zählt und miteinander vergleicht, bieten Loughran und McDonald (LM) eine (in- strumental-event-)Methode an, mit der der Ton eingefangen wird. Mithilfe der LM-Metho- de testen die Autoren ihre Hypothese der ähnlichen Vor- gangsweise bei maschinellen Lesern. Diese Methode stellt auf das spezielle Finanzvoka- bular positiver beziehungswei- se negativer Wörter ab sowie auf Wörter, die informativ in Bezug auf Zukunftsaussichten und Unsicherheit sind. Dazu bieten LM Listen von Wörtern und Phrasen an, die als führen- des Lexikon für Algorithmen von der Finanzindustrie und von der Wissenschaft verwendet werden, um die Stimmungslage eines Textes zu er- mitteln. Die Unterschiede in Verlauf und Kontext dieses neuen Verzeichnisses gestat- ten es dem Quartett, die Auswirkungen der Leserschaft mit künstlicher Intelligenz auf das Management des Sentiments der berich- tenden Unternehmen nachzuzeichnen. In einem ersten Schritt gehen Cao, Jiang, Yang und Zhang davon aus, dass Firmen, die eine hohe KI-Leserdichte und daher viele automatisierte Downloads erwarten, in ihren Veröffentlichungen negative Wörter aus dem LM-Verzeichnis vermeiden; dies jedoch erst nach dem Jahr 2011, in dem Loughran und McDonald ihr LM-Verzeich- nis publiziert haben. Solch einen strukturel- len Wechsel findet man nicht im Hinblick auf jene Wörter, die schon das Harvard- Lexikon negativ eingestuft hat. Die Diffe- renz „LM minus Harvard Sentiment“ folgt demselben Pfad wie das LM-Sentiment selbst. Die Autoren finden eine Bestätigung dafür, dass bis 2010 ein paralleler Trend be- züglich „LM minus Harvard Sentiment“ zwischen Firmen mit hoher Zahl (erstes Terzil) und geringer Anzahl (drittes Terzil) von maschinellen Downloads besteht. Nach 2011 wird eine klare Divergenz sichtbar: Die Gruppe mit hohen maschinellen Down- loads verringert nämlich signifikant die An- zahl der negativen Wörter aus dem LM- Verzeichnis, die sich von jenen aus dem Harvard-Verzeichnis unterscheiden, im Ver- hältnis zu der Gruppe mit geringen maschi- nellen Downloads (siehe Grafik „Senti- ment-Trend und maschinelle Downloads“) . Der Unterschied im Ausdruck des Senti- ments kann – unter Zuhilfenahme des Dif- ferenz-von-Differenzen-Ansatzes – mit hö- herer Wahrscheinlichkeit der Sorge der Fir- men bezüglich ihrer KI-Leserschaft zuge- ordnet werden. Loughran und McDonald haben 2011 verschiedene zusätzliche Verzeichnisse ent- wickelt, mit deren Hilfe ein reichhaltigeres Set von Bemerkungen in Finanzdokumen- ten auf Untertöne analysiert werden kann. Dazu zählen beispielsweise schwache und starke Modalwörter wie „schlechterdings, vielleicht, möglicherweise, glücklicherwei- se, leider, zweifellos, sicherlich, kaum, be- stimmt, hoffentlich, vermut- lich“. Loughran und McDonald gelang es zu zeigen, dass das Vorherrschen von Wörtern aus den einzelnen Kategorien negative Ergebnisse etwa in Bezug auf rechtliche Problem- stellungen oder Reaktionen des Aktienkurses vorhersagen kann. Cao, Jiang, Yang und Zhang finden Hinweise darauf, dass Firmen mit erwarteter hö- herer maschineller Leserschaft eine höhere Aversion gegen- über jenen Wörtern zeigen, die sich in diesen Verzeichnissen wiederfinden. Aus alldem lässt sich ablei- ten, dass Manager ihre Veröf- fentlichungen im Hinblick auf » Firmen vermeiden in ihren Berichten Wörter, die Computeralgorithmen negativ wahrnehmen. « Wei Jiang, Arthur F. Burns Professor of Free and Competitive Enterprise an der Columbia Business School, New York Trend zur maschinellen Lesbarkeit Zwölf Jahre Entwicklung betreffend Quartals- und Jahresberichte Der Indikator für Lesbarkeit durch künstliche Intelligenz zeigt einen steilen Anstieg bis 2008, ehe eine Phase niedrigeren Wachstums einsetzte. 2011/12 war ein Höhepunkt erreicht. US-Firmen scheinen diesbezüglich keiner Schablone zu folgen, sondern passen das Format ihrer Meldungen an ein sich veränderndes Umfeld an. Quelle: Studie -0,3 % -0,2 % -0,1 % 0 % 0,1 % I 2015 I 2014 I 2013 I 2012 I 2011 I 2010 I 2009 I 2008 I 2007 I 2006 I 2005 I 2004 I Indikator für Lesbarkeit durch künstliche Intelligenz 108 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | KOMMUN I KAT I ON FOTO : © COLUMB I A BU S I NE S S SCHOOL , NEW YOR K

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