Institutional Money, Ausgabe 2 | 2021

D as automatisierte Auslesen des gesprochenen Wortes mithilfe künstlicher Intelli- genz (KI) ist längst kein No- vum mehr, sondern heute in den USA etwa bei Telefonkonferenzen großer börsenno- tierter Unternehmen mit Analysten schon die Regel. Aber auch die Analyse der Quar- tals- und Geschäftsberichte geschieht vielerorts bereits automatisiert. Grund- sätzlich gilt: Pflichtveröffentlichungen sind eine gute Gelegenheit, neben dem tabellarischen Zahlenwerk mit seinen Stakeholdern zu kommunizieren, etwa die finanzielle Stabilität der Firma zu betonen, die Firmenkultur heraus- zustreichen oder auch die eigene Marke zu promoten. Wie die Leser die Infor- mationsflut verarbeiten und wie diese schlussendlich aufgenommen wird, beein- flusst die geschäftlichen Aktivitäten und die Reputation des Unternehmens beträchtlich. Das prominenteste Beispiel dafür sind wohl die „Annual Letters to Shareholders“ von Warren Buffett: Die besten Zitate daraus werden zu stehenden Sätzen der Geldanla- ge. So schrieb der Investment-Altmeister etwa 2007: „Seien Sie ängstlich, wenn an- dere gierig sind, und seien Sie gierig, wenn andere ängstlich sind!“ Oder 2009: „Große Chancen bieten sich selten. Wenn es Gold regnet, sollte man nach einem Eimer greifen und nicht nach einem Fingerhut!“ Der Neid für solche Aussprüche ist Buffett gewiss, doch damit bleibt er allein auf weiter Flur. Einer der Gründe, warum sich niemand anderer für launige Sager findet, ist laut den Autoren einer Studie zum veränderten Kommunikationsverhalten in KI-Zeiten, dass als potenzielle Leser immer öfter KI- Programme in Betracht kommen. Eine stei- gende Zahl von Firmen realisiert nämlich, dass sowohl Pflicht- als auch freiwillige Publikationen nicht mehr ausschließlich von Analysten und Investoren gelesen werden. Ein substanzieller Anteil der Aktientrans- aktionen wird heute von Empfehlungen ausgelöst, die von Computeralgorithmen generiert werden, die zuvor mithilfe von Tools für Machine Learning und Natural Language Processing (Sprachverarbeitungs- programmen) Texte mit Hochgeschwindig- keit auch im Hinblick auf das darin unter- schwellig enthaltene Sentiment ausgewertet haben. Der technische Fortschritt, gekoppelt mit den gestiegenen Volumina von Offen- legungen, macht diese Entwicklung wohl unaufhaltsam. Firmen, die die gewünschte Reaktion ihrer Stakeholder infolge der Unternehmensverlautbarungen sicherstellen wollen, lernen, sich an diesen Trend anzu- passen. Sie unterziehen die Art und Weise, wie sie zum Beispiel Finanzkennzahlen, Prognosen und Ausblicke kommunizieren, einer Überprüfung und nehmen gegebenen- falls die eine oder andere Adaptierung vor. Damit wollen sie sicherstellen, dass die künstliche Intelligenz keine ungewünschten negativen Schlüsse aus dem Gesagten oder Geschriebenen zieht. So können die Pro- gramme beispielsweise positive, negative oder neutrale unterschwellige Zwischentöne in Textblöcken identifizieren, die das Wie verhält sich ein CEO, wenn der Analystenkonferenz auch Computer lauschen? Eine aktuelle Studie untersucht Veränderungen in der Kommunikation. Ungebrochener Trend zu maschinellen Downloads Die logarithmische Darstellung zeigt ein exponentielles Wachstum. Die Zahl der maschinellen Downloads von 10-K- und 10-Q-Berichten (Jahres- beziehungsweise Quartalsberichte börsennotierter Firmen, die bei der SEC eingereicht werden) in Millionen sind auf der linken y-Achse über den Zeitraum von 2003 bis 2016 abgetragen. Die Anzahl der maschinellen an den gesamten Downloads stieg von 40 auf 80 Prozent (rechte y-Achse). Quelle: Studie 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % I 2016 I 2015 I 2014 I 2013 I 2012 I 2011 I 2010 I 2009 I 2008 I 2007 I 2006 I 2005 I 2004 I 2003 I Maschinelle Downloads (%) Maschinelle Downloads Anteil maschineller Downloads Mio. Downloads (log) 1.000 100 10 1 0 » US-Firmen sind motiviert, die maschinelle Lesbarkeit ihrer Berichte zu erhöhen. « Sean Cao, Assistant Professor am J. Mack Robinson College of Business an der Georgia State University Big Brother hört auch zu 106 N o. 2/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | KOMMUN I KAT I ON FOTO : © GEORG I A S TAT E UN I V E R S I T Y, ME TAMORWOR K S | S TOCK . ADOB E . COM

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