Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

H ätte der Momentum-Faktor ein Motto, dann wäre dies wohl: Wenn’s läuft, dann läuft’s. Viele Analysen haben gezeigt, dass die Aktiengewinner der jünge- ren Vergangenheit die Verliereraktien dieser Periode in den anschließenden Monaten oft outperformen. Narasimhan Jegadeesh und Sheridan Titman machten 1993 in ihrer bahnbrechenden Arbeit „Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market Efficiency“ den Anfang, danach bestätigten viele andere Unter- suchungen den Effekt. Heute gilt der Momentum-Faktor erstens als überaus starke Kapitalmarktanomalie und zählt zweitens zu den am besten recherchierten. Eine überzeugende Erklärung dafür gibt es dennoch bis heute nicht wirklich. Studien bieten rationale und aus der Ver- haltensökonomie stammende Erklärungen an. Behavioristen nehmen als Quelle eine Unterreaktion des Marktes an, während rationale Erklärungsmodelle von makro- ökonomischen Risiken oder Marktfriktionen ausgehen. Die Momentum-Pioniere Jegadeesh und Titman haben 2002 im Jour- nal of Finance in „Profitability of Momentum Strategies: An Eva- luation of Alternative Explana- tions“ nach Erklärungen gesucht und 2011 in der „Annual Review of Financial Economics 3“ eine Übersicht der verschiedenen Er- klärungen publiziert. Die Exis- tenz des Momentums stellt auch eine Herausforderung für das von Eugene Fama 1970 entwickelte Konzept der schwachen Form der Markteffizienzhypothese dar. Erik Theissen, Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Finan- zierung an der Universität Mann- heim, und Can Yilanci, Dokto- rand und Assistant Researcher an der Fakul- tät für Betriebswirtschaftslehre der gleich- namigen Universität, gingen daran, die offensichtlich vorhandene Profitabilität der Momentum-Strategie noch einmal näher und kritischer zu untersuchen, um deren Natur besser zu verstehen. Bemerkenswert ist dabei vor allem ihr Argument, dass die Standardmethode, die zur Risikoadjustie- rung der Momentum-Gewinne herangezo- gen werde, nicht ausreichend sei und dass die Profitabilität der Momentum-Strategie größtenteils verschwinde, wenn man eine geeignete Anpassung vornehme. Traditioneller Rechenansatz Frühere Arbeiten errechnen gewöhnli- cherweise das risikoadjustierte Momentum, indem sie Aktien in ein Long-Short-Port- folio auf Basis der Vergangenheitsrendite einsortieren und monatlich ein Rebalancing Der Momentum-Effekt gilt als zuverlässige Kapitalmarktanomalie. Berücksichtigt man aber das sich ver- ändernde systematische Risiko des Momentum-Portfolios, kommt man zu erstaunlichen Erkenntnissen. » Die zeitliche Variation des systematischen Risikos entzaubert den Momentum-Effekt gewaltig. « Prof. Dr. Erik Theissen, Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Finanzierung an der Universität Mannheim Ein Faktor löst sich auf Returns der Momentum-Strategien Risikoadjustierung auf Aktien- statt auf Portfolioebene lässt Renditen verschwinden. Haltedauer des Momentum-Portfolios in Monaten, monatliche Durchschnittsrenditen und t-Werte Analysezeit/Portfolio 3 Monate t-Wert 6 Monate t-Wert 9 Monate t-Wert 12 Monate t-Wert 3 Mon. Sell-Portfolio 0,0078 2,82 0,0081 2,92 0,0087 3,17 0,0091 3,43 3 Mon. Buy-Portfolio 0,0127 5,02 0,0135 5,22 0,0139 5,32 0,0137 5,29 3 Mon. Buy-Sell-Portf. 0,0049 3,30 0,0054 4,19 0,0052 4,31 0,0046 3,99 6 Mon. Sell-Portfolio 0,0070 2,44 0,0077 2,67 0,0081 2,87 0,0093 3,37 6 Mon. Buy-Portfolio 0,0146 5,76 0,0152 5,77 0,0150 5,60 0,0141 5,36 6 Mon. Buy-Sell-Portf. 0,0076 4,28 0,0075 4,53 0,0069 4,31 0,0048 3,22 9 Mon. Sell-Portfolio 0,0070 2,37 0,0076 2,58 0,0087 3,01 0,0101 3,57 9 Mon. Buy-Portfolio 0,0155 5,99 0,0155 5,70 0,0146 5,37 0,0136 5,10 9 Mon. Buy-Sell-Portf. 0,0085 4,61 0,0079 4,47 0,0060 3,37 0,0036 2,18 12 Mon. Sell-Portfolio 0,0069 2,37 0,0086 2,87 0,0098 3,34 0,0112 3,91 12 Mon. Buy-Portfolio 0,0148 5,67 0,0146 5,37 0,0138 5,07 0,0130 4,85 12 Mon. Buy-Sell-Portf. 0,0079 4,21 0,0061 3,25 0,0040 2,17 0,0018 1,06 Monatliche Durchschnittsrenditen von insgesamt 16 gleichgewichteten rollierenden Momentum-Strategien nach der Methodik von Jegadeesh und Titman (1993). „Long-Short“ bezeichnet die Gewinner-minus-Verlierer-Portfolios, sie zeigen alle positive Renditen. Diese sind bei einer Konfidenz von 99 Prozent (t-Werte>2,325) in 13 Fällen, bei einer Konfidenz von 95 Prozent (t-Werte>1,645) in 15 Fällen (dunkelrot markiert) signifikant positiv. Quelle: Studie 96 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | MOMENTUM FOTO : © UN I V E R S I T Ä T MANNHE I M , GMF

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