Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

widerspiegeln, dass die Politik der Wahl- sieger im Vergleich zu einer konservativen Politik weniger günstig für Kapital und Inflation ausfällt. Die Ergebnisse der Unter- suchungen von Daniele Girardi scheinen dies zu belegen. Trotzdem kann man andere Ursachen nicht ganz ausschließen, etwa geringere Wachstumserwartungen. Betonen muss man zudem, dass eine negative Bör- senreaktion auf linke Wahlerfolge nicht not- wendigerweise einen negativen Effekt in Bezug auf das soziale Wohl des Landes mit- einschließt. Der Unterschied in der Auswir- kung eines solchen Wahlresultats auf die Aktienbörsen in Industriestaaten einerseits und Entwicklungsländern andererseits mag darin begründet sein, dass es systematische Unterschiede zwischen deren politischen und wirtschaftlichen Institutionen gibt. Schwellenländer haben nun einmal weniger stabile politische Institutionen, schwächere Beschränkungen der Exekutive und weniger gut abgesicherte Eigentumsrechte. Kommt es hier zu einem Überraschungssieg der Linken, sind wahrscheinlich größere Verän- derungen in der politischen und wirtschaft- lichen Landschaft zu erwarten. Langfristeffekte zeigen große Schwan- kungen, daher nimmt Girardi davon Ab- stand, diese überinterpretieren zu wollen. Schließlich gibt es mittelfristig Dynamiken am Finanzmarkt, die anderen Faktoren als knappen und überraschenden Wahlaus- gängen geschuldet sind. Die Analyse der Heterogenität der Effekte lasse allerdings, wenngleich nicht ganz schlüssig, vermuten, so Girardi, dass der beobachtete Zusam- menhang doch gelte, wenn die Linke inter- ventionistischer und in Schwellenländern als Wahlsieger agiere. Stoische Bondmärkte Der Mangel an signifikanten Auswirkun- gen linker Wahlsiege auf die Bondmärkte, konkret zehnjährige Staatsanleihen, im Hin- blick auf Spreads und Renditen könnte bedeuten, dass es keine Wirkung auf die Zinsen gibt oder dass das Vorzeichen der Veränderung bei linken Wahlsiegen nicht in die gleiche Richtung zeigt. Diese Hetero- genität könnte etwa mit einem unterschied- lichen Ausmaß an Unabhängigkeit der Zentralbank in den einzelnen Ländern im Zusammenhang stehen. So könnte man bei- spielsweise von einer unabhängigen Zen- tralbank erwarten, dass sie die Zinsen ange- sichts einer expansiven Wirtschaftspolitik anhebt, während weniger unabhängige Wäh- rungshüter von der neu ins Amt gewählten Regierung zu einer umgekehrten Reaktion, nämlich zu Zinssenkungen, genötigt werden könnten. Langfristig dominieren an der Bör- se andere Einflüsse. Betrachtet man einen ein- bis zweijährigen Anlagehorizont nach den Wahlen, lassen sich keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Perfor- mance der Aktienmärkte nach linken oder rechten Wahlsiegen erkennen. Denn auf lange Sicht geben nun einmal strukturelle volkswirtschaftliche Faktoren den Aus- schlag. DR. KURT BECKER Marktorientiert schlägt interventionistisch Interventionistische linke Politik wirkt sich länger und nachteiliger auf Aktienkurse aus. Aktienmarkt monatlich Aktienmarkt täglich Marktorientierte Linke Interventionistische Linke Marktorientierte Linke Interventionistische Linke h = 1 −3,97 −3,71 −5,51 −7,95 −0,59 −0,86 −2,50 −5,35 (5,49) (4,92) (2,89) (2,38) (1,53) (0,96) (1,16) (1,89) Beobachtungen 275 275 273 273 202 202 204 204 Effektive Beobachtungen 137 151 67 65 66 82 43 29 Industriestaaten Entwicklungsländer Industriestaaten Entwicklungsländer h = 1 −4,08 −4,05 −19,88 −19,77 −4,28 −2,29 −6,58 −8,23 (5,49) (4,77) (10,74) (9,75) (1,70) (1,37) (4,98) (4,26) Erste Ebene 0,47 0,46 0,71 0,73 0,50 0,50 0,63 0,62 (0,20) (0,20) (0,12) (0,12) (0,19) (0,19) (0,18) (0,17) Beobachtungen 500 500 241 241 368 368 199 199 Effektive Beobachtungen 133 125 127 154 129 121 69 79 Vor 1900 Nach 1900 Vor 1900 Nach 1900 h = 1 −16,67 −14,70 −12,82 −13,06 −7,36 −6,42 −5,12 −4,64 (10,43) (10,00) (4,64) (4,73) (6,69) (5,41) (2,17) (2,00) Erste Ebene 0,46 0,46 0,55 0,52 0,59 0,58 0,46 0,46 (0,18) (0,18) (0,13) (0,12) (0,26) (0,26) (0,11) (0,11) Beobachtungen 312 312 429 429 152 152 415 415 Effektive Beobachtungen 219 220 176 191 63 64 233 228 Zeitfixe Effekte ✓ ✓ ✓ ✓ Im Falle von marktorientierten linken Programmen fällt die negative Börsenreaktion mit weniger als vier Prozent geringer aus als bei interventionistischen Wahlprogrammen, wo der Koeffizient zwischen fünf und acht Prozent liegt. Dieses Muster gilt für Monats- und auch Tagesdaten. In den Industriestaaten fallen Aktienmarktreaktionen deutlich geringer aus als in den Schwellenländern. Vor 1990 waren die negativen Kursreaktionen auf linke Wahlsiege etwas höher als danach. Die Koeffizienten sind Ergebnisse von Kernregressionen mit einem Kern- dichteschätzer h = 1. „First Stage“ bezeichnet die Ergebnisse der ersten Ebene in einer unscharfen Regressions-Diskontinuitäts-Analyse, wo es bei einem Schwellenwert zu einem Sprung in der Wahrscheinlichkeit eines linken Wahlsiegs kommt. Quelle: Studie 76 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | WAHLGÄNGE UND BÖR S ENENTWI CK LUNG

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