Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

diese auf lange Frist zu beobachtende Hete- rogenität als Reaktion auf Wahlausgänge zu groß ist, um durchschnittliche Effekte jen- seits eines kurzen Zeithorizonts sinnvoll schätzen zu können. Eine höhere Dauerhaf- tigkeit (Persistenz) der Auswirkungen auf den Aktienmarkt scheint allerdings – obwohl nicht präzise zu schätzen – dann gegeben zu sein, wenn die Linke ein radi- kales Wahlprogramm vertritt und die vor- geschlagenen wirtschaftlichen Maßnahmen interventionistischer Natur sind oder wenn es sich um eine Wahl in einem Schwellen- land handelt. Robustheitstests Zuerst testete Girardi, ob der Heterogeni- tätseffekt größer ist, wenn das Wahlpro- gramm der Linken radikaler ausfällt. Dabei zieht der Autor die Politikpositionsschätzun- gen von Manifesto Project Database (MPD) heran, im Besonderen die Variablen „pla- neco“ und „markeco“. Die erste misst die Unterstützung einer Marktregulierung, der Wirtschaftsplanung und der Kontrolle der Wirtschaft durch die Regierung, die zweite misst die Unterstützung für eine marktwirt- schaftliche Politik und damit eine geringere Rolle des Staates, wie sie Andrea Volkens und ihre Co-Autoren 2018 in „Manifesto Project Version 2018a“ vorschlugen. Dabei wurde die Differenz zwischen den beiden Indikatoren für die größte der Linksparteien errechnet und stellvertretend (als Proxy) für die linke Wirtschaftsideologie verwendet. Dabei wurden die Wahlergebnisse in zwei Teilstichproben gegliedert, je nachdem, ob bei einer Wahl die Messzahl für die Wirt- schaftsideologie unter- oder oberhalb des Medianwerts der Stichprobe lag. In erste- rem Fall spricht man von marktorientierten Linken, in zweiterem von interventionisti- schen Linken. Da diese Schätzwerte nur für Parlamentswahlen verfügbar sind, wurden die Präsidentschaftswahlen hier a priori aus- geschieden. Das hat den Vorteil, dass man die Heterogenität auf Basis des politischen Systems kontrollieren kann, andererseits wird dadurch der Umfang der Stichprobe erheblich verringert. Wie zu erwarten ist, wirkt sich das radikalere linke Programm stärker und auch länger negativ auf die Per- formance des Aktienmarktes aus. Im Fall von marktorientierten linken Programmen fällt die negative Börsenreaktion mit weni- ger als vier Prozent bei unpräziserer Schät- zung geringer aus als bei interventionisti- schen Wahlprogrammen, wo die Schätzun- gen präziser sind und der Koeffizient zwi- schen fünf und acht Prozent liegt. Diese Ergebnisse auf Basis von Monatsdaten werden bestätigt, wenn man auf Tagesdaten abstellt (siehe Tabelle „Marktorientiert schlägt interventionistisch“) . Auswirkungen auf die Anleihenmärkte in Form von Ren- ditesteigerungen und Spreadausweitungen sind gering und statistisch nicht signifikant in beiden Teilstichproben, die Schätzwerte sind generell nicht größer bei radikaleren linken Programmen. Diese Ergebnisse stim- men überein mit den Renditen von Staats- anleihen, die zumindest nach Parlaments- wahlen nur kleine Reaktionen zeigen. Auf Basis der Klassifikation der Staaten durch die Weltbank zeigt sich, dass in den Industriestaaten die Reaktionen an den Aktienmärkten deutlich geringer ausfallen als in den Schwellenländern nach linken Wahlsiegen. Die Auswirkungen an den An- leihenmärkten fallen in beiden Kategorien nicht signifikant aus. Zeitlich variierende Effekte hat der Autor ebenfalls untersucht. Dabei wurden zwei Teilstichproben danach gebildet, ob die Wahlen vor oder nach dem Jahr 1990 ab- gehalten wurden. Diese Grenze wurde ge- wählt, da es das Jahr der großen politischen Diskontinuität infolge des Falls der Sowjet- union war und es genügend Fälle für beide Teilstichproben gibt. Tägliche und monat- liche Auswirkungen auf die betreffenden Aktienmärkte fielen in der Zeit vor 1990 wenngleich nicht dramatisch, so aber doch größer aus, was an der geringeren Anzahl an Beobachtungen liegen kann, wie der Autor vermutet. Für die Anleihenrenditen gilt das vorhin Gesagte: Auch hier lässt sich in keiner der beiden Teilstichproben eine signifikante Renditeänderung beobachten. Resümee Eine negative Reaktion der Aktienkurse auf linke Wahlsiege kann die Erwartung Sieg ist nicht gleich Sieg Knappe Siege lösen deutlich stärkere Aktienmarktreaktionen aus. Die linke Grafik zeigt, wie die Aktienmarktreaktion bei einem Mitte-links-Sieg im Durchschnitt in den folgenden Handelstagen ausfällt, während die rechte auf die Reaktionen bei lediglich knappen Mitte-links-Siegen abstellt. Die Marktreaktionen fallen jedenfalls bei knappen Links-Siegen deutlich stärker aus. Dargestellt sind in beiden Grafiken durchschnittliche Kursreaktionen sowie die Ergebnisse des 95-prozentigen Konfidenzintervalls. Quelle: Studie -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 -3 -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 -3 Aktienmarktreaktion bei einem Mitte-links-Sieg Monate um den Wahlmonat Aktienbewertung Aktienmarktreaktion bei einem knappen Mitte-links-Sieg Monate um den Wahlmonat Aktienbewertung 74 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | WAHLGÄNGE UND BÖR S ENENTWI CK LUNG

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