Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf nord- amerikanische und europäische Direktkredite ausgewirkt? Ian Fowler: Manches am Verlauf der Krise in Nordamerika hat uns überrascht. Zum Beispiel herrschte angesichts der Bedeutung von Bezie- hungen für Transaktionen in diesem Bereich an- fangs die Ansicht, dass die Aktivität ins Stocken geraten und der Abschluss von Geschäften schwierig sein würde. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Ob Sponsoren, Managementteams oder Kreditgeber – jeder fand offenbar einen Weg, diese Zeit der physischen Trennung zu überbrücken. Tatsächlich erholte sich die Aktivi- tät im dritten und vierten Quartal letzten Jahres stark und bleibt auch seit Beginn des Jahres auf hohem Niveau. Diese Krise war auch viel gezielter als frühere Rezessionen, bei denen fast alle Unternehmen und Branchen betroffen waren. Diesmal waren verbraucherorientierte Unternehmen – insbe- sondere in Modebranchen wie Restaurants und Einzelhandel (Bereiche, in die wir nicht in- vestieren) – unverhältnismäßig stark getroffen. Daher mussten Kreditgeber mit Engagements in der Gastronomie und im Einzelhandel größe- re Anstrengungen unternehmen, um Problem- stellen in ihren Portfolios zu beheben, während sich Kreditgeber mit weniger oder keinem En- gagement in diesen Sektoren auf den Einsatz von Kapital und die Nutzung attraktiver Kondi- tionen infolge der Coronakrise konzentrieren konnten. Adam Wheeler: Zwar waren die Auswirkungen der Pandemie auf direkte Unternehmenskredite in Europa in vielerlei Hinsicht ähnlich, dennoch gab es auch einige wichtige Unterschiede. Zum einen wurden in Europa viel früher als in den USA Lockdown-Maßnahmen verhängt und so erholte sich auch der Deal-Flow etwas früher. Im Gegensatz zu den USA ist Europa ein Sole-Len- der-Markt (d.h. mit einem Alleinfinanzier) – daher hat sich die Entwicklung der Marktanteile der Kre- ditgeber mit dem Wiederanstieg des Deal-Flows zunehmend gegabelt. Im Wesentlichen haben wir eine Flucht zu Qualität beobachtet, wie es in Zei- ten von Ungewissheit üblich ist: Private-Equity- Sponsoren konzentrierten sich auf Manager, mit denen sie bereits starke Partnerschaften hatten – sowie auf Manager mit guten Umsetzungsfä- higkeiten, beträchtlichen Haltekapazitäten und fle- xiblen Kapitalstrukturlösungen. Das hat die ohne- hin schon hohen Markteintrittsbarrieren noch wei- ter heraufgesetzt, sodass eine Reihe kleinerer Marktteilnehmer mit einer nachteiligen Auswahl konfrontiert ist – bzw. ihr Anlageuniversum im Grunde auf die Transaktionen beschränkt ist, die die Topmanager abgelehnt haben. Wo sehen Sie das größte Interesse an der Anlageklasse? A. W.: Auf dem europäischen Markt war früher das Interesse von Pensionsfonds und Versiche- rungsgesellschaften am größten. In letzter Zeit haben sich aber auch große Staatsfonds der Anlageklasse zugewandt. Diese Anleger bauen zunehmend strategische Beziehungen zu Mana- gern einer gewissen Größenordnung auf, um kon- sistente, zyklusübergreifende Renditen und potenziell attraktive Erträge zu erzielen. Auf höhe- rer Ebene werden europäische Direktkredite für viele Investoren immer mehr zu einer Kernalloka- tion, was vor einigen Jahren nicht unbedingt der Fall war. Wir beobachten auch, dass mehr nord- amerikanische Anleger ihre direkten Kreditalloka- tionen auf Europa ausweiten – ähnlich wie sie es in den letzten zehn Jahren bei Hochzinskrediten und breit syndizierten Darlehen getan haben. I. F.: In Nordamerika betrachten viele große institutionelle Anleger direkte Unternehmenskredi- te als eine Kernallokation und tätigen seit einigen Jahren beständig Investitionen. Zusätzlich zu den von Adam erwähnten potenziellen Vorteilen sind direkte Unternehmensdarlehen eine Anlageklasse mit variabler Verzinsung und weisen bei Transak- tionen im mittleren Marktsegment üblicherweise eine Zinsuntergrenze auf. Unabhängig davon, ob die Zinsen steigen oder fallen, bewegen sich die Gesamtrenditen in der Regel in der gleichen Bandbreite – obwohl sich die Komponenten je nach Marktbedingungen zwischen dem LIBOR- Spread und dem Kreditspread verschieben kön- nen. Wir haben gesehen, dass einige Investoren, die neu in dieser Anlageklasse sind, während die- ser Phase der Unsicherheit eher eine abwartende Haltung einnehmen. Aber das ist eher die Aus- nahme, vor allem wenn man bedenkt, dass der Großteil der Staats- und Unternehmenskredite ak- tuell unter 2 Prozent gehandelt wird. Relativ gese- hen erscheint eine Anlage in Senior-Debt-Papiere, die in der Vergangenheit Renditen von 6 bis 8 Prozent geboten haben, ziemlich attraktiv. Wie beurteilen Sie die Aussichten für Nord- amerika und Europa in den nächsten 12 bis 24 Monaten, und welche Faktoren sollten Anleger beachten? I. F.: In Nordamerika sind wir optimistisch, dass das Aktivitätsniveau hoch bleiben wird – insbe- sondere angesichts der Erwartungen hinsicht- lich fremdfinanzierter Übernahmen (Leveraged Buy-outs) infolge der Kapitalzuführungen des letzten Jahres. Trotz potenziellen Gegenwindes in der Zukunft sind wir zuversichtlich, dass es Gelegenheiten für Investitionen in hochwertige Unternehmen geben wird. Interessanterweise waren im nordamerikani- Erfolgreiches Navigieren heutiger Märkte für direkte Unternehmenskredite Bei direkten Unternehmenskrediten besteht kein Mangel an Anlagechancen – insbesondere für Kreditgeber, die den Finanzierungsbedarf von mittel- ständischen Unternehmen decken können und wollen. CORONAVIRUS, MARKTZUGANG UND ESG

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