Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

Finanzierungsquelle ihrer Staatsausgaben verloren ginge. Das bringt mich zu der Frage, wie es Ihrer Ansicht nach mit dem Euro weitergehen wird. Wie sieht Ihr langfristiges Szenario aus? Gunther Schnabl: Das kann man nur in Sze- narien denken. Angenommen, alles geht so weiter wie bisher und es kommt zu vielen Spannungen im Euroraum – seien sie wirt- schaftlich, gesundheitspolitisch oder auch sozial bedingt: Dann würde man versuchen, all diese Spannungen mit zusätzlichen Staatsausgaben und der Notenpresse zu lösen. Dann käme es irgendwann zu einem Vertrauensverlust für den Euro; eine hohe Inflation und wachsende Verteilungseffekte wären die Folge – mit dem Ergebnis einer wachsenden Anzahl an Verlierern. Dann würde es auch zu politischen Spannungen innerhalb des Euroraums kommen. Wenn man das vermeiden will, dann sollte man über eine Stabilisierung der Geldpolitik nachdenken. Das würde in der Konsequenz bedeuten, dass die Staaten im Euroraum nicht mehr alles finanzieren können, wo- durch die Allokationseffizienz bei den Staatsausgaben deutlich verbessert werden müsste. Das wiederum wäre natürlich mit Reformen verbunden, die Europa sicher nicht schaden würden. Am Ende müsste jedes Mitgliedsland selbst entscheiden, ob es bereit ist, diese Reformen mitzumachen und dann auch intern abzuwerten, oder eben aus dem Euro auszusteigen. Worin läge der Vorteil? Gunther Schnabl: Ich glaube, der Druck in Europa wäre geringer. Wenn wir einen Nordeuro und einen Südeuro hätten, könn- ten die südeuropäischen Staaten abwerten und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit- wiederherstellen. Das würde sicherlich zur wirtschaftlichen Erholung im südlichen Euroraum beitragen. Die Tourismussektoren etwa würden dann wieder sehr gut laufen. Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass der Wohlstand, den wir in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben, sehr stark mit Währungswettbewerb verbunden war. Die D-Mark war sehr stabil aufgrund der Rahmenbedingungen, die unter Ludwig Erhard gesetzt wurden. In dieser Zeit wurde sehr viel Wohlstand geschaffen. Und von diesem Wohlstand, der ausgehend von Deutschland im Norden geschaffen wurde, hat auch der Süden profitiert, der sich über Währungsabwertungen Teile dieses Wohl- stands abholen konnte. Ich höre, dass das Ihr bevorzugtes Szenario wäre. Geben Sie dazu auch eine zeitliche Prognose ab? Gunther Schnabl: Es ist eine politökonomi- sche Frage, wann die Politik zum Umden- ken bereit sein wird. Viele sagen, sie werde erst dann zum Umdenken bereit sein, wenn sie verstanden hat, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Deshalb glaube ich, dass es eher länger dauern wird, bis ein solches Szenario eintreten wird. Aber wer Hayek gelesen hat, weiß auch, dass die zunehmend expansive Geldpolitik mehr und mehr unse- rer marktwirtschaftlichen Prinzipien unter- miniert. Und laut Hayek ist der Verlust wirt- schaftlicher Freiheit auch immer mit dem Verlust persönlicher Freiheit verbunden. Wenn wir diese persönlichen Freiheit erhal- ten wollen, dann müssen wir aus meiner Sicht auch die wirtschaftliche Freiheit erhal- ten. Deshalb liegt der Schlüssel nach wie vor bei der Geldpolitik. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Im Grunde zombifizieren wir unsere Volkswirtschaften. « Gunther Schnabl, Universität Leipzig 46 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. GUNTHE R S CHNAB L | UN I L E I PZ I G FOTO : © MA RT I N NEUHOF

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