Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

Wirtschaftssystems. Er muss den Vorsitz des Sachverständigenrates räumen. Das mag zum einen politisch bedingt sein, aber zeigt es nicht auch, dass inzwischen ein Umden- ken in der Wirtschaftswissenschaft stattfin- det? Sind Sie so etwas wie der letzte Mohi- kaner einer nicht mehr zeitgemäßen Schul- denpolitik? Gunther Schnabl: Sie haben recht: Jene, die für die Geldwertstabilität eintreten, werden immer weniger. Und Ihre Anspielung auf den letzten Mohikaner ist in gewisser Weise auch richtig. Aber ich bin mir nach wie vor sicher, dass wir am Ende natürlich wieder eine stabile Währung brauchen. Es sei denn, wir wollen uns in Richtung einer Art Bra- silianisierung oder Argentinisierung bewe- gen, wo der Staat stets klamm ist und ver- sucht, sich ständig über die Zentralbank zu refinanzieren, und dadurch von einer Phase der Instabilität in die nächste stürzt. Ich kann darin keine Vorteile sehen. Dennoch finden viele Ihrer Kollegen immer wieder gute Gründe, warum es jetzt richtig ist, mehr Staatsverschuldung zu haben … Gunther Schnabl: … und implizit darauf ver- weisen, dass Staatsverschuldung nur noch möglich ist, wenn die Zentralbanken diese Schulden aufkaufen. Der Punkt, den die österreichischen Ökonomen immer noch machen, ist, dass eben Geldwertstabilität das Rückgrat einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung ist und nach Walter Euken Primat der Währungspolitik. Ich glaube, dass eine stabile wirtschaftliche Entwick- lung ohne stabile Währung nicht möglich ist. Und solange das Gegenteil nicht bewie- sen ist, lasse ich mich davon auch nicht abbringen. Und wie versuchen Sie, Ihre Kollegen zu überzeugen? Gunther Schnabl: Indem ich sie darauf hin- weise, dass eine zunehmende Staatsver- schuldung, die zudem immer stärker auch monetär finanziert wird, beim besten Willen nicht dazu geführt hat, dass wir uns wirt- schaftlich und politisch stabilisiert haben, so wie das immer versprochen wurde. Im Gegenteil, wir taumeln von einer Krise in die nächste, verbunden mit einem Ver- trauensverlust in unseren Staat. Das Eingreifen der Politik während der Pandemie heißen Sie zwar gut, Sie haben aber schon im August gewarnt, die Rettung aller über die Notenpresse sei mittelfristig nicht möglich. Sie warnten sogar, uns wür- den in zehn Jahren italienische Verhältnisse » Die Schuldenbremse scheint mir in der Tat eine Schönwetter-Regel zu sein. « Gunther Schnabl, Universität Leipzig Ein Mann der österreichischen Schule Gunther Schnabl ist Professor für Wirtschafts- politik und Internationale Wirtschaftsbeziehun- gen an der Universität Leipzig. Dort leitet er das Institut für Wirtschaftspolitik. Schnabl hat an der Universität Tübingen zu Leistungs- bilanzungleichgewichten und Währungs- integration in Ostasien und Europa promoviert und habilitiert. Er war Gastwissenschaftler an der Stanford University, der Katholischen Universi- tät Leuven, der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne, der Deutschen Bundesbank, der Bank of Japan, der Federal Reserve Bank of New York sowie an der Europäischen Zentralbank. Vor seiner Berufung an die Universität Leipzig war er als Advisor bei der Euro- päischen Zentralbank tätig. Schnabl, der sich selbst als Anhänger der österreichischen Schule bezeichnet, hat in zahlreichen internationalen referierten Zeit- schriften zu den Themenbereichen Währungsintegra- tion, Wechselkurspolitik, Leistungsbilanzungleich- gewichte sowie Boom-und-Krisen-Zyklen auf Finanzmärkten publiziert. Im Ranking der in- ternationalen wissenschaftlichen Datenbank IDEAS gehört er zu den Top-drei-Prozent der Volkswirte in Deutschland und Europa. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Ökonomen im deutschen Sprachraum. Er ist Mit- herausgeber von „Ordo – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Ge- sellschaft“ und „The Economists’ Voice“. 42 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. GUNTHE R S CHNAB L | UN I L E I PZ I G FOTO : © MA RT I N NEUHOF

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