Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

I n gewisser Weise gehört er zu einer scheinbar aussterbenden Klasse: Gunther Schnabl, Professor für Wirt- schaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig, bezeichnet sich bewusst als konser- vativ und sieht sich selbst in der Tradition der österreichischen Schule um Friedrich August von Hayek. Daher beobachtet er das Geschehen um die Geldpolitik der Europäischen Zentral- bank mit Argwohn und scheut nicht davor zurück, mit dem aktuellen Kurs der EZB hart ins Gericht zu gehen. Die Stützungsmaßnahmen der Politik während der Corona-Pandemie heißt er zwar weitgehend gut, ins- gesamt sieht er aber die Gefahr einer großen politi- schen Instabilität auf uns zukommen. Wenn er recht behält, wird es den Euro in einigen Jahren als zwei- geteilte Nord- und Südvariante geben. Wir haben mit ihm darüber gesprochen. Herr Prof. Schnabl, vor Kurzem haben Sie auf Twitter erklärt: „Anstieg der Zinsen: Die Inflation raubt den No- tenbanken ihr wichtigstes Werk- zeug.“ Steht es tatsächlich so schlimm? Gunther Schnabl: Die Daten zeigen uns auf jeden Fall, dass die USA offensichtlich unter einem spürba- ren Inflationsdruck stehen, der sich, wenn auch etwas geringer, auch bei uns in Europa bemerkbar macht. Die Gründe dafür sehen viele Marktbeobachter in einem hohen Nachholbedarf nach dem Lockdown, an- dere verweisen auf einen starken mone- tären Überhang, der deutlich gewachsen ist. Und er wird sich natürlich nach Milton Friedman früher oder später in Form von Inflation entladen. Die Frage ist, welche Form von Inflation – denn am Ende ist Inflation auch eine Frage der Begrifflichkeit. Gunther Schnabl: Aus Sicht der österreichi- schen Konjunkturtheorie bedeutet eine Inflation, dass die Geldmenge stärker steigt als die Gütermenge, ein Phä- nomen, das uns schon lange begleitet. In der öffentli- chen Diskussion aber wird Inflation meist mit der Konsumentenpreisinflation gleichgesetzt. Und die ist noch niedrig, zumindest wenn man den offiziellen Statistiken glaubt. Tun Sie das nicht? Gunther Schnabl: Wir haben eine deutliche Diskrepanz zwischen der gefühlten Inflation, wie sie von der Europäischen Kommission erhoben wird, und der offiziell gemessenen Inflation. Heiß diskutiert wird die Frage, ob sie nun kommt oder nicht. Manche sehen in der aktuellen Aufregung um das Thema nur eine vorübergehende Erscheinung, die im zweiten Halb- jahr sozusagen wieder verschwinden wird. Was erwarten Sie? Gunther Schnabl: Ich bin ein wenig zweigeteilt. Aber vielleicht zunächst einmal einen Schritt zurück hin zu der Frage, warum wir die Inflation eigent- lich niedrig halten wollen. Eine » NIEDRIGE INFLATION » Ich glaube, dass eine stabile wirtschaft- liche Entwicklung ohne stabile Währung nicht möglich ist. « Gunther Schnabl, Universität Leipzig Der Leipziger Ökonom Gunther Schnabl ist davon überzeugt, dass eine zu expansive Geldpolitik verantwortlich für Finanzmarktblasen und -krisen ist. Von einer Krisentherapie mit noch mehr billigem Geld hält er schon gar nichts. 36 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. GUNTHE R S CHNAB L | UN I L E I PZ I G FOTO : © MA RT I N NEUHOF

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