Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

G rundsätzlich besteht kein Zweifel daran, dass Analys- ten die Kurse beeinflussen können. Täglich werden un- zählige Einschätzungen publiziert, von den Medien aufgegriffen und von vielen Anle- gern beachtet. Ob die Arbeit von Sell-Side- Analysten aber generell zur Effizienzstei- gerung der Märkte beiträgt oder nicht, darüber konnte die Finanzwissenschaft bisher noch keinen eindeutigen Befund abgeben. Ältere Arbeiten gelangten zu eher günstigeren Ergebnissen, jüngere Untersuchungen fielen kritischer aus. Letztere betonten vor allem die Proble- matik der Interessenkonflikte, die mit Brokeragekommissionen und Invest- ment-Banking-Mandaten zusammen- hängen. Dies könne erstens beeinflus- sen, welche Aktien analysiert werden, und zweitens auch, wie die Analyseergebnisse ausfallen. Wie die Studie „Security Analysts and Capital Market Anomalies“ zeigte, können Analysten sogar zu Fehlbewertun- gen beitragen. Demnach neigen sie dazu, bessere Empfehlungen für Aktien abzuge- ben, die auf Basis bestimmter Rendite- anomalien überbewertet sind. Das entspricht der Biased-Analysts-Hypothese. Da diese Titel anschließend negative Renditen auf- weisen, können die Empfehlungen der Ana- lysten quasi als Kontraindikator gelten. Dass die Fragestellung „Analysten- empfehlungen und Markteffizienz“ immer noch nicht abschließend geklärt ist, liegt auch daran, dass die Finanzmarktforschung zwar eine Vielzahl vermeintlicher Anoma- lien ermittelt hat, die der Effizienzmarkthy- pothese widersprechen; da diese aber auch als Risikoprämien betrachtet werden kön- nen, hält die Diskussion an. Auch Data- Mining-Effekte stehen in jüngerer Zeit ver- stärkt im Verdacht, nur Scheinbeweise zu liefern. Bemerkenswert ist in diesem Zu- sammenhang ein Satz der US-Finanzmarkt- forscher Campbell R. Harvey, Yan Liu und Caroline Zhu. Sie gelangten in einer ge- meinsamen Forschungsarbeit zu dem Schluss: „(…) die meisten behaupteten For- schungsergebnisse in der Finanzwirtschaft sind wahrscheinlich falsch.“ Um die Diskussion voranzubringen, ha- ben sich die Münchner Finanzmarktforscher Vitor Azevedo und Sebastian Müller in ih- rer Studie „Analyst Recommendations and Anomalies Across the Globe“ erneut mit dem Thema befasst. Sie durchleuchteten dazu einen Datensatz aus Analystenempfeh- Zwei neue Studien zum Thema Aktienanalysten zeigen, dass erstens die Prognosen von Sell-Side-Analysten vor allem außerhalb der USA interessant sind und zweitens die Informationen von Analyseplattformen wie Seeking Alpha auch für professionelle Investoren von Nutzen sein dürften. US-Markt vs. Rest der Welt Analysten verstärken Mispricings am US-Markt – aber nicht an den übrigen Märkten. Die Abbildung zeigt die kumulierten, anhand des Carhart-4-Faktor-Modells risikoadjustierten Renditedifferenzen kon- sistenter und inkonsistenter Empfehlungen für die USA sowie alle übrigen Länder. Die Portfolios basieren auf einem Doppel-Ranking anhand der Konsensempfehlungen der Analysten und des in der Studie beschriebenen Mispricing-Scores. Die Renditen der konsistenten (inkonsistenten) Strategie werden aus den Portfolios berechnet, bei denen die Empfehlun- gen (nicht) mit dem Mispricing übereinstimmen. Wie sich zeigt, hält die positive (negative) Tendenz über den Monat nach Portfolioerstellung hinaus an. Das heißt, dass Analystenempfehlungen die Mispricings an internationalen Märkten ver- ringern und eine zusätzliche Rendite erzielen, während sie am US-Markt die bestehenden Mispricings verstärken und underperformen. Quelle: Azevedo, V. / Müller, S. (2020), Analyst Recommendations and Anomalies Across the Globe, S. 36 -6 % -4 % -2 % 0 % 2 % USA Rest der Welt 1 3 5 7 9 11 Monate nach Portfolioerstellung Kumulative risikoadjustierte Rendite Der Wert der Empfehlung » Außerhalb der USA neigen Analysten weniger dazu, über- bewertete Aktien zu empfehlen. « Sebastian Müller, Professor of Finance, Technische Universität München 136 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | ANA LY S T ENEMP F EHLUNGEN FOTO : © A S T R I D ECK E RT, MY I MAG I NE | S TOCK . ADOB E . COM

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