Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

rendite – gemessen von Schlusskurs zu Schlusskurs – realisierte sich dabei während der Handelszeit vor Bekanntgabe und ein kleinerer Teil in der Nacht zuvor (vom Vor- tagesschlusskurs bis zur Eröffnung). Diese Ergebnisse beziehen sich auf die zu jedem Termin drei stärksten nachbörslichen Ear- nings Cluster. In ihren Untersuchungen be- trachteten die Autoren analog auch die drei signifikantesten Bekanntheits-Cluster von vorbörslich bekanntgegebenen Zahlen. Da- bei gelangte man jedoch zu dem überra- schenden Ergebnis, dass der bei den nach- börslichen Clustern gefundene Effekt hier nicht besteht. Keine Insideraktivitäten Die erstaunlichen und auf den ersten Blick scheinbar widersprüchlichen Ergeb- nisse verlangen nach einer Erklärung. Intui- tiv drängt sich das Stichwort „Insider-Tra- ding“ auf. Allerdings finden die Autoren na- hezu keine Korrelation zwischen den Kurs- bewegungen im Vorfeld und der tatsächli- chen Reaktion nach Bekanntgabe. Diese müsste aber bestehen, wenn Insiderhandel stattfinden würde. Zudem wäre im Fall von Insiderhandel fraglich, weshalb der Rendite- effekt nur bei nachbörslich bekanntgegebe- nen Zahlen auftritt. Die Autoren schlussfol- gern deshalb, dass dies keine plausible Er- klärung darstellt. Das deckt sich im Übrigen auch mit den Ergebnissen der eingangs be- sprochenen Studie „Uncertainty Resolution Before Earnings Announcements“, in der Robustheitstests in Bezug auf potenziellen Insiderhandel durchgeführt wurden. Disagreement-Theorie Als tatsächliche Erklärung verweisen die Autoren des Earnings Clusters Papers auf die unter anderem von Harrison Hong und Jeremy Stein im Jahr 2007 beschriebene Disagreement-Theorie. Dabei wird ange- nommen, dass Marktteilnehmer unter- schiedliche Ansichten über die „richtige“ Bewertung von Aktien haben, ihre Aufmerk- samkeit zu bestimmten Zeiten auf einzelne Titel richten, und nur begrenzte oder gar keine Short-Positionen eingehen können. Daraus lässt sich ableiten, dass die entspre- chenden Aktien in ihrer jeweiligen Auf- merksamkeitsspanne tendenziell Überrendi- ten erzielen. Die Autoren erklären das da- mit, dass die Marktteilnehmer erst kurz vor den jeweiligen Terminen auf die Aktien auf- merksam werden und überlegen, zu kaufen oder zu verkaufen beziehungsweise ihre Gewichtungen anzupassen. Aus Sicht der Marktarithmetik ist die Situation dabei wie folgt: Verkäufe können nur diejenigen Pes- simisten tätigen, die zu diesem Zeitpunkt überhaupt investiert sind, wenn Short-Posi- tionen nur begrenzt möglich sind. Da aber per Definition wohl nur wenige Pessimisten im Vorfeld in nennenswertem Umfang in- vestiert sind, sollte der Verkaufsdruck ver- gleichsweise geringer sein als der durch die Optimisten ausgelöste Kaufdruck. Kurzfris- tig bestimmen deshalb eher die Käufer die Kurse, was im Einklang mit den empiri- schen Ergebnissen der Studie steht. Einfache Erklärung Auf Basis dieser Theorie kommen die Autoren zu einem erstaunlich einfachen An- satz als Erklärung dafür, weshalb der Effekt nur bei Aktien auftritt, bei denen die Zahlen nach Börsenschluss bekanntgegeben wer- den. Sie vermuten, dass die Marktteilneh- mer jenen Unternehmen, die erst am nächs- ten Morgen berichten, wenig bis gar keine Aufmerksamkeit schenken, weil die kursre- levante Information nicht am gleichen Han- delstag bekannt wird. Stattdessen konzen- trieren sie sich im Lauf des Tages auf die Aktien, die nach Handelsschluss berichten. Unterm Strich zeigen die beschriebenen Arbeiten, dass die Bekanntgabe von Quar- talszahlen zu Recht im Fokus der Marktteil- nehmer steht. Die Erkenntnis, dass sich ein Großteil der damit verbundenen Kurseffekte nicht nach, sondern bereits im Vorfeld der Bekanntgabe abspielt, dürfte von langfristig agierenden Investoren gelassen zur Kennt- nis genommen werden. In Verbindung mit geplanten Handelsaktivitäten sollte man diese Phänomene allerdings kennen. Beson- ders zu beachten sind dabei die Termine, an denen eine größere Zahl bekannter Unter- nehmen nachbörslich Quartalszahlen be- kannt geben: Hier werden innerhalb weni- ger Tage im Jahr große Teile der Marktren- dite erzielt. DR. MARKO GRÄNITZ » Die starke Vorab-Rallye tritt nur bei nachbörslichen Earnings Clustern auf. « Yixin Chen, Assistant Professor of Finance, Simon Business School, University of Rochester Earnings Cluster Nur nachbörsliche Earnings Cluster weisen eine Outperformance auf. Die Grafik zeigt die durchschnittliche kumulative Rendite des E-mini S&P 500 Futures am Tag vor sowie am Tag der Earnings Announcement Cluster (EAC). Quelle: Chen, Y. / Cohen, R. B. / Wang, Z. (2020), Famous Firms, Earnings Clusters, and the Stock Market, S. 29 Uhr 0:00 I 20:00 I 16:00 I 12:00 I 8:00 I 4:00 I 0:00 I 20:00 I 16:00 I 12:00 I 8:00 Nachbörsliche Cluster Vorbörsliche Cluster Vortag EAC-Tag -20 0 20 40 Prämie (Basispunkte) 134 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | QUAR TA L S E RGEBN I S S E

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