Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

Earnings-Cluster-Effekt Insgesamt zeigen die Untersuchungen, dass vor allem bei hoher Unsicherheit schon ein Teil davon vor Bekanntgabe von Quar- talszahlen aufgelöst wird und die Kurse deshalb im Vorfeld ansteigen. Die genauen Details, wie das geschieht, bleiben zwar unklar, aber die Autoren liefern zumindest zwei plausible Erklärungsansätze: eine akti- ve Beschaffung von Informationen durch Anleger und die Bereitstellung von Infor- mationen durch Analysten. Beide Effekte könnten gemeinsam dazu beitragen, dass die Unsicherheit im Vorfeld aufgelöst wird. Die Autoren weisen in diesem Zusammen- hang darauf hin, dass die Ergebnisse auch Parallelen zum FOMC-Effekt aufweisen. Dieser wurde schon im Jahr 2015 doku- mentiert und ist durch eine positive Rendite in den 24 Stunden vor entsprechenden Sit- zungen der US-Notenbank charakterisiert. Auch dort könnte die Auflösung von Unsi- cherheit im Vorfeld eine gute Erklärung sein. Dass es rund im die Bekanntgabe von Unternehmensergebnissen zu Auffälligkei- ten kommt, zeigen auch andere Unter- suchungen. In jüngerer Zeit lieferte etwa das Paper „Famous Firms, Earnings Clusters, and the Stock Market“ Aufschlüs- se über sogenannte Earnings Cluster, die ebenfalls Kursbewegungen betreffen, die vor der Bekanntgabe von Unternehmenser- gebnissen auftreten. Die Arbeit wurde von Yixin Chen von der Universität Rochester und den beiden Harvard-Forschern Randolph B. Cohen und Zixuan Wang im Herbst 2020 publiziert. Im Allgemeinen kommen für die Bekanntgabe von Quartals- zahlen vor allem die Tage Dienstag, Mitt- woch und Donnerstag im ersten Monat je- des Quartals infrage. Daraus ermitteln die Autoren für jedes Quartal jene drei Termine, an denen die größten Bekanntheits-Cluster von abends nach Börsenschluss beziehungs- weise morgens vor Börseneröffnung bekanntgegebenen Zahlen auftraten. Untersucht wurden dabei Unternehmen aus dem S&P 500 im Zeitraum von 1999 bis 2018. Die Autoren wählten das Startjahr 1999, da die Bekanntgabe außerhalb der Handelszeiten seither Standard ist und nur sehr wenige Unternehmen davon abwichen. Etwa ein Drittel berichtete abends und zwei Drittel morgens. Wenige Tage entscheiden Insgesamt kommen die Forscher zu dem Schluss, dass ein Großteil der Marktrendite eines Jahres an wenigen Tagen realisiert wird. Diese lassen sich schon im Vor- feld bestimmen: Es sind Tage, an denen besonders viele bekannte Unternehmen ihre Zahlen veröffentlichen und damit entsprechend hohe Aufmerksamkeit er- zielen. Die Bekanntheit der Unterneh- men wurde dabei anhand der Medien- präsenz im jeweils zurückliegenden Jahr gemessen. Minimalstrategie Die wichtigsten Ergebnisse der Studie basieren auf einer Betrachtung der nach- börslichen Berichtstermine. So war es mög- lich, durch Auswahl der drei stärksten Clus- ter-Tage in jedem Quartal nur insgesamt zwölf Tage im Markt investiert zu sein, aber dabei fast zwei Drittel von dessen jährlicher Überrendite gegenüber dem risikolosen Zins (Treasury Bills) zu erzielen. Entspre- chend der sehr kurzen Investitionsdauer wäre diese Minimalstrategie auch nur einem kleinen Teil der Marktvolatilität ausgesetzt gewesen. Während der Gesamtmarkt im Untersu- chungszeitraum gegenüber Treasury Bills über alle Tage hinweg eine durch- schnittliche Überrendite von zwei Basis- punkten pro Tag erzielte, waren es an den ausgewählten nachbörslichen Ear- nings Cluster Days ganze 34 Basispunk- te. Das war mehr als an Tagen mit wich- tigen Makro-Nachrichten, an denen der Markt je nach Spezifikation zehn bis 20 Basispunkte Outperformance erzielte. Gleichzeitig lag die Volatilität der Clus- ter-Tage auf dem Niveau normaler Han- delstage, sodass sich entsprechend hohe (annualisierte) Sharpe Ratios ergaben. Die in den Clustern enthaltenen Aktien übertrafen den Markt um durchschnitt- lich 27 Basispunkte und erzielten insge- samt eine mittlere Tagesrendite von 61 Basispunkten. Der größte Anteil der in- nerhalb der 24 Stunden erzielten Über- » Die drei stärksten Cluster-Tage pro Quartal erzielten 62 Prozent der Jahresmarktprämie. « Yixin Chen, Assistant Professor of Finance, Simon Business School, University of Rochester Zeitpunkte der Bekanntgabe Rund zwei Drittel aller Quartalszahlen wurden vorbörslich veröffentlicht. Dargestellt ist die zeitliche Verteilung der Bekanntgabe von Quartalszahlen von Unternehmen im S&P 500 im Zeitraum von 1999 bis 2018. Quelle: Chen, Y. / Cohen, R. B. / Wang, Z. (2020), Famous Firms, Earnings Clusters, and the Stock Market, S. 26 16:00 12:00 6:00 20:00 23:00 Uhr 9:30 1:00 Zeitpunkt 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % Anteil Vorbörsliche Veröffentlichungen Nachbörsliche Veröffentlichungen N o. 1/2021 | www.institutional-money.com 133 T H E O R I E & P R A X I S | QUAR TA L S E RGEBN I S S E

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=