Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

K ein funktionierender Kapital- markt der Welt kommt ohne strenge Vorschriften zur Ver- meidung von Insidergeschäf- ten aus. Aktien- und Wertpapierhandelsge- setze zwingen Unternehmen zur umgehen- den Publikation (Ad-hoc-Publizität) kurs- relevanter Informationen, um Informations- vorsprünge einzelner Marktteilnehmer zu vermeiden. Um die Investoren möglichst zeitnah über die Unternehmensentwicklung zu informieren, hat sich in der laufenden Berichterstattung seit vielen Jahren das vier- teljährliche Intervall etabliert. Quartalszah- len gelten als die am meisten beachteten Fundamentaldaten. Theoretisch müssten sie folgende Auswirkungen haben: Liegen sie über den Erwartungen der Marktteilnehmer, müssten die Kurse steigen, negative Über- raschungen sollten hingegen fallende Kurse auslösen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Aus der Literatur ist bereits bekannt, dass Aktien in den Monaten, in denen die Bekanntgabe von Quartalszahlen ansteht, generell höhere Ren- diten erzielen als in den übrigen Monaten. Diese Prämie wird als Earnings Announce- ment Premium bezeichnet. Eine gängige Er- klärung dafür ist, dass die Marktteilnehmer aufgrund der stärkeren Berichterstattung im Monat der Bekanntgabe besonders auf die jeweiligen Aktien aufmerksam werden und sich entsprechend positionieren. Wie die Studie „Uncertainty Resolution Before Earnings Announcements“ zeigt, ist diese Prämie nicht unerheblich: Demnach erziel- ten US-Aktien im Zeitraum von 1996 bis 2017 innerhalb eines 21-Tage-Fensters um ihren Quartalszahlentermin eine um durch- schnittlich 0,42 Prozent höhere Rendite als der Markt. In der genauen Betrachtung zeigt sich dabei ein überraschender Effekt: Im Durch- schnitt werden große Teile dieser Prämie – konkret 71 Prozent davon – bereits in den zehn Tagen vor Bekanntgabe der Zahlen realisiert. Das heißt, dass die durchschnitt- Ein Großteil der Prämie, die in Verbindung mit der Bekanntgabe von Quartalszahlen auftritt, wird schon vor dem eigentlichen Veröffentlichungstermin erzielt. Zwei Studien zeigen Details dieses überraschenden Effekts. Pre-Announcement-Rendite Eine höhere Vorab-Unsicherheit führt zu einer höheren Rendite vor Bekanntgabe der Zahlen. Die Grafik untergliedert die Darstellung aus der Abbildung „Earnings-Announcement-Prämie“ in Quintile. Die einzelnen Aktien werden diesen anhand der quartalsweise ermittelten Unsicherheit an Tag 11 vor Bekanntgabe der Zahlen zugeordnet, basierend auf den impliziten Volatilitäten der jeweiligen Optionen. Quelle: Gao, C. / Hu, G. X / Zhang, X. (2020), Uncertainty Resolution Before Earnings Announcements, S. 55 Tage um Bekanntgabe der Quartalszahlen Überrendite -0,4 % 0,0 % 0,4 % 0,8 % 1,2 % 1,6 % 10 I 8 I 6 I 4 I 2 I 0 I -2 I -4 I -6 I -8 I -10 Hohe Unsicherheit Niedrige Unsicherheit 2 3 4 » Aktien erzielen in ihrem Berichtsmonat eine wesentlich höhere Rendite. « Grace Xing Hu, Associate Professor, PBC School of Finance, Tsinghua University Vorauseilende Reaktionen 130 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | QUAR TA L S E RGEBN I S S E FOTO : © P BC SCHOOL OF F I NANCE , T S I NGHUA UN I V E R S I T Y, DRUCK I NGEN I EUR | S TOCK . ADOB E . COM

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