Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

sondere sind ja die Faktoren „Size“ und „Value“ in die Kritik geraten. Beim Size-Faktor, der darauf beruhen soll, dass Investoren durch Investments in kleinere Unternehmen eine Überrendite er- wirtschaften können, werden die Stimmen immer lauter, die behaupten, dass es einen derartigen Faktor gar nie gegeben hat und er nur das Nebenprodukt anderer Faktoren wie etwa Momentum darstellt. Gnädigere Stimmen gehen davon aus, dass Size per se zwar existiert hat, seine Wir- kungsweise jedoch im Schwinden be- griffen ist. Die Skalierbarkeit und die technologische Innovationskraft, dazu die immer stärkeren Netzwerk- und The-Winner-takes-it-all-Effekte schei- nen die Sichtweise der zweiten Gruppe zu bestätigen. Value, der Faktor, der wiederum auf unterbewertete Unterneh- men abzielt, dürfte ebenfalls ein Opfer dieser Entwicklung sein, die Underperfor- mance dieser Strategie war in der jüngeren Vergangenheit jedenfalls eklatant. Verheerende Auswirkung Doch zurück zur Profitabilität an sich: Diese nahm seit 1990 zwar durchschnittlich beständig zu, wie das Beispiel USA zeigt. Doch während insbesondere die großen Konzerne ihre Finanzkraft stärkten, nahm diese bei vielen kleinen und mittleren Fir- men immer weiter ab. „Die Coronakrise wird verheerende Folgen für die hoch ver- schuldeten Unternehmen haben“, fürchtet Sinn. „Sie werden entweder aufgekauft oder liquidiert. Oder sie überleben als ‚Zombie-Firmen‘, denen die Banken die Kredite verlängern, um ihre Bilanzen nicht mit hohen Abschreibungen zu belasten.“ Europa im Brennpunkt Besonders stark leiden Europas Unter- nehmen unter der rückläufigen Profitabi- lität. Gewinnsteigerungen beruhten zu- letzt weitgehend auf der Einführung des Euro und der wirtschaftlichen Zusam- menarbeit in der Europäischen Union. Ihre Wettbewerbsfähigkeit konnten Un- ternehmen indes kaum steigern – spe- ziell in Randstaaten wie Irland, Grie- chenland, Italien oder Spanien. Dort taten unter anderem der forcierte Abbau von Staatsschulden und die wirtschaft- liche Stagnation ein Übriges. In Italien sank die Eigenkapitalrendite börsennotierter Unternehmen in der letzten Dekade von 13,5 auf 5,5 Prozent, in Spanien von 21,3 auf 8,2 Prozent. Auch in Deutschland hinkt die Gewinn- entwicklung hinter dem Wachstum her. Während die heimische Wirtschaft 2018 insgesamt 22 Prozent der Wirtschaftskraft der europäischen Industriestaaten generierte, erzielte sie nur 18 Prozent der Gewinne. Die Eigenkapitalrendite hält sich seit Jahren relativ stabil bei etwas über zwölf Prozent. Die Schweiz hingegen, die vier Prozent zu Europas Bruttoinlandsprodukt beiträgt, er- wirtschaftete 2018 mit sieben Prozent einen überproportional großen Anteil der Gewin- ne in Europa. Besonders die schweizeri- schen Kommunikations- und Gesundheits- unternehmen erzielten im Schnitt der letzten Dekade mit mehr als 30 Prozent überdurch- schnittliche Margen. Im Tech-Sektor sowie bei den Internet- plattformen ist der Rückstand der Europäer gegenüber den USA und China besonders auffällig – und hat sich schleichend bereits über die vergangenen Jahre etabliert, wie ersichtlich wird, wenn man den globalen Anteil der Profite von 2000 mit denen von 2018 vergleicht (siehe Grafik „Europa fällt zurück“) . Die Branchengiganten in diesen Ländern erzielen sehr hohe Margen. „Strengt sich die europäische Wirtschaft nicht gewaltig an, wird sie in puncto Profi- tabilität noch weiter zurückfallen“, warnt Sinn. Schon jetzt liegt der Anteil des ent- wickelten Europa an den weltweit generier- ten Unternehmensgewinnen bei lediglich 26 Prozent. Im Jahr 2000 belief er sich noch auf 41 Prozent. Motorschaden nach Euro-Turbo Gerade im Vergleich mit den USA fällt auf, dass Europa zu Beginn des 21. Jahr- hunderts auf der Überholspur war, wir aber auch hier eine Aufstieg-und-Fall-Geschichte verfolgen können (siehe Grafik „Euro-Ef- fekt mittlerweile verpufft“) . Denn der Ver- lauf der „Profitabilitätskurve ist stark mit » Die Coronakrise wird verheerende Folgen für die hoch verschuldeten Unternehmen haben. « Walter Sinn, Deutschland-Chef Bain & Company Euro-Effekt mittlerweile verpufft Die Einheitswährung erleichterte Kapitalflüsse und stützte die Exporte – das sorgte für Boom … and Bust. Am Beginn des 21. Jahrhunderts durfte sich aus europäischer Sicht die Hoffnung breit machen, die USA in Sachen Profitabilität über- oder zumindest einzuholen. Diese Hoffnung scheint im Rückblick trügerisch. Quelle: Studie 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % ROE für gelistete Unternehmen 1983–89 | 10,8 % 1993–00 | 11,7 % 2003–07 | 18,0 % 2010–18 | 11,5 % 2015 2010 2005 2000 2018 1995 1990 1985 1980 ROE Entwickeltes Europa ROE USA Rezessionen 104 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF I TAB I L I T Ä T FOTO : © B A I N AND COMPANY

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