Institutional Money, Ausgabe 1 | 2021

q5-Modell derselben Autoren von 2019, das diese in ihrer Arbeit mit dem Titel „Which Factors?“ vor- schlugen. Theissen und Yilanci woll- ten darüber hinaus wissen, warum eine Risikoanpassung auf Aktien- ebene Momentum-Profite signifikant verringert beziehungsweise aus- löscht (siehe Grafik „Momentum- Profitabilität“). Eine Risikoanpassung auf Portfo- lioebene geht von der Annahme aus, dass ein konstantes Faktor-Exposure der zu untersuchenden Strategie be- steht. Jedoch ist hinlänglich bekannt, dass das Faktor-Exposure eines Mo- mentum-Portfolios sich systematisch im Zeitablauf verändert. Momen- tum-Portfolios sind dadurch charak- terisiert, dass sie jeden Monat durch ausscheidende und neu dazukom- mende Aktien einen großen Port- folioumschlag aufweisen. Welche Aktien auf der Long- beziehungsweise Short-Seite in das Momentum-Portfolio Aufnahme finden, hängt von den Faktor- realisationen zuvor ab. Als Beispiel betrach- te man den Markt-Faktor. Wenn die Über- schussrendite des Marktes positiv ist, per- formen High-Beta-Aktien gut und Low- Beta-Aktien schlecht. Konsequenterweise weist das Long-Short-Momentum-Portfolio nach einer Periode von positiven Markt- überschussrenditen Aktien mit hohem Beta auf der Long- und Aktien mit einem nied- rigen Beta auf der Short-Seite auf, sodass das Momentum-Portfolio insgesamt ein hohes Beta aufweist. Umgekehrt sieht es natürlich nach einer Periode negativer Über- schussrenditen des Markt-Faktors aus: Das Long-Short-Momentum-Portfolio wird ein negatives Markt-Beta aufweisen. Die Risi- koanpassung auf Portfolioebene schätzt das durchschnittliche Markt-Beta des Momentum-Portfolios auf einen Wert nahe null. Die Risikoanpas- sung auf Aktienebene anderer- seits bezieht die zeitliche Verän- derung des Markt-Exposures der Strategie mit ein. Ähnlich lässt sich bei den vier anderen Fakto- ren des Fünf-Faktor-Modells ar- gumentieren. Um die Dynamiken der Faktor- Exposures von Momentum-Port- folios empirisch nachzuweisen, wählten Theissen und Yilanci einen Regressionsansatz, der jenem von Grundy und Martin ähnelt. Das Gewinner- minus-Verlierer-Portfolio einer Strategie, die Aktien auf Basis ihrer Renditen der letzten sechs Monate rankt und diese dann für sechs Monate hält, zeigt dann ein positives Faktor- Loading bezüglich der fünf Faktoren nach Fama und French, wenn die Sechs-Monats- Faktorrendite zumindest eine Standardab- weichung über ihrem Durchschnitt liegt. Ein negatives Faktor-Loading ist dann gegeben, wenn die Sechs-Monats-Faktorrendite zu- mindest eine Standardabweichung unter ihrem Durchschnitt gelegen ist. Das Faktor- Exposure des Momentum-Portfolios ändert sich somit im Zeitablauf auf eine Art und Weise, die in Beziehung zu den vergangenen Faktor-Realisationen steht. Deshalb beschrei- ben Betas auf Portfolioebene nicht genau das Risiko-Exposure des Momentum-Port- folios. Die beiden Autoren empfeh- len daher, Faktor-Sensitivitäten und risikoadustierte Renditen von Mo- mentum-Portfolios auf Aktienebene zu ermitteln. Die Ergebnisse der Arbeit von Theissen und Yilanci sind die fol- genden: Zum einen ergibt sich da- raus, dass die offenbar bestehende Gewinnträchtigkeit der Momentum- Strategien zu einem Großteil eine Kompensation für Risiko darstellt. Diese Strategien dürften somit eher Risikoprämien als abnormale Ren- diten liefern. Zweitens hat das vor- gestellte Prozedere der Risikoadjus- tierung auf Aktienebene anderweitig Auswirkungen. Denn alle Invest- mentstrategien, die durch einen hohen Portfolioumschlag charakteri- siert sind, sind potenziell von im Zeitablauf veränderlichen Faktor- Exposures betroffen. Deshalb sollten sowohl Researcher als auch Portfolioma- nager bei der Evaluierung von Investment- strategien Risikoadjustierungen auf Aktien- ebene in Betracht ziehen. Unterm Strich lässt sich festhalten, dass der Momentum-Effekt möglicherweise deutlich schwächer ausfällt, als bislang an- genommen. Das ist eine herbe Enttäu- schung für alle Praktiker, die gern auf den Momentum-Faktor setzen und sich bisher eigentlich nur vor Momentum-Crashs fürchteten. Wenn der Vorschlag von Theis- sen und Yilanci vermehrt aufgegriffen und Risikoadjustierungen auf Aktien- anstatt auf Portfolioebene durchgeführt werden, wird man sehen, ob die anderen Faktoren, die als wissenschaftlich hinreichend dokumentiert gelten, ihre Stärke behalten oder ob ihnen ein ähnliches Schicksal droht wie dem Momentum-Faktor. DR. KURT BECKER Momentum-Profitabilität Eine Risikoadjustierung auf Aktienebene entzaubert den Momentum-Faktor. Bei einer Risikoadjustierung der Renditen von Momentum-Portfolios auf Portfolioebene, wie es vorherrschende Praxis ist, scheint der Momentum-Faktor – trotz deutlich sichtbarer Momentum-Crashs – stark zu sein, wie die kumu- lierten Renditen des gleichgewichteten 6-Monats-Long-/Short-Momentum-Port- folios auf Basis der 6-Monats-Renditen zeigen. Nimmt man hingegen eine Risikoadjustierung auf Aktienebene vor, bleibt vom Momentum-Faktor nicht mehr viel übrig, die kumulative Rendite ist nahe null. Basis der Risikoadjustie- rung ist das Fünf-Faktor-Modell nach Fama und French. Quelle: Studie 0 50 100 150 Risikoadjustierung auf Portfolio-Ebene Keine Risikoadjustierung Risikoadjustierung auf Aktien-Ebene 2015 I 2005 I 1995 I 1985 I 1975 I 1965 I US-Dollar I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I War früher alles besser? 1963 bis 1979 gab es signifikant positive Momentum-Portfolio-Renditen. Das zeigt die Perioden-Betrachtung. Risikoadjustierung Alle Per. t-Wert 1963–1979 t-Wert 1980–1999 t-Wert 2000–2018 t-Wert Keine 0,0075 4,53 0,0094 3,43 0,0130 7,48 -0,0004 -0,11 Auf Portfolioebene 0,0077 3,31 0,0113 3,03 0,0130 6,10 -0,0030 -0,80 Auf Aktienebene 0,0011 0,53 0,0063 2,13 0,0030 0,89 -0,0052 -1,30 Darstellung durchschnittlicher Monatsrenditen einer gleichgewichteten Long-Short-Momentum-Strategie ohne Transaktionskosten, wobei die Aktien auf Basis der 6-Monats-Rendite für sechs Folgemonate auswählt sind. Berechnungen für drei Zeitabschnitte, einmal ohne Risikoadjustierung sowie dann mit Risikoadjustierung auf Portfolio- sowie auf Aktienebene. Mit Kosten ist die Strategie mit Risiko- adjustierung auf Aktienebene von 1963 bis 1979 nicht mehr profitabel. Hohe t-Werte bezeichnen statistische Signifikanz. Quelle: Studie 100 N o. 1/2021 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | MOMENTUM

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