Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

gende Frage: „Allgemein gesagt, würden Sie sagen, dass man den meisten Leuten vertrauen kann, oder dass man nicht vor- sichtig genug sein kann, wenn man mit jemandem Geschäfte macht?“ Dieses Maß für das allgemeine Vertrauen wird häufig in der wissenschaftlichen Literatur verwendet und hat sich als valide Größe zur Prognose des aktuellen Vertrauensniveaus von Einzel- personen erwiesen. Die Autoren zeigen, dass das Niveau des allgemeinen Vertrauens der Ange- stellten in der Finanzindustrie im Lauf von beinahe vier Jahrzehnten substan- ziell abgenommen hat, und zwar abso- lut und relativ im Verhältnis zur allge- meinen amerikanischen Bevölkerung. Das visualisiert die Grafik „Schwinden- des Vertrauen“. Ein für die Autoren wichtiges Ergebnis dieser Studie ist, dass – historisch betrachtet – die Arbeit- nehmer in der Finanzindustrie in den An- fangsjahren des Untersuchungszeitraums ein höheres Vertrauensniveau besaßen als der Rest der Bevölkerung. Das änderte sich in den Folgejahren, sodass ab den frühen 90er-Jahren das residuale Vertrauen und damit jener Teil, der nicht durch demogra- fische, sozioökonomische oder regionale Faktoren erklärt wird, unter jenes der US- Bevölkerung fällt. Wenn man alle Branchen betrachtet, die der GSS abdeckt, ist der relative Vertrauens- rückgang in der Finanzindustrie eindeutig am stärksten. Andere Branchen – beispiels- weise Gesundheit, Rechtsdienstleistungen oder die Tech-Industrie – sind ebenfalls stark vertrauensabhängig, haben aber keinen so heftigen allgemeinen Vertrauensverlust erfahren. Der Trend in der Finanzindustrie wird aber nicht nur von den einfachen Arbeit- nehmern erzeugt. Auch in den Führungs- etagen, die für die Kultur und das Mitein- ander in einem Unternehmen maßgeblich verantwortlich sind, ist das gesellschaftliche Vertrauen stärker gefallen als in der US- Bevölkerung. Des Weiteren untersuchten die drei Auto- ren das Ausmaß des Vertrauens von Perso- nen in der Finanzindustrie getrennt nach Sparten und Gruppen. Dabei lässt sich eine stetige Erosion des Vertrauens über die meisten Sparten in den letzten vier Dekaden belegen, wobei allerdings das Ausmaß des Vertrauensverlustes in den meisten Fällen jenem des Durchschnittsamerikaners ent- spricht. Jedenfalls findet sich ein signifikant stärkerer Vertrauensverlust gegenüber Ge- schäftspartnern, die besonders relevant für die Finanzindustrie sind, nämlich Groß- konzernen, der Exekutive der US-Regie- rung und dem Kongress (siehe Tabelle „Entwicklung des Vertrauens in Institutio- nen und Gruppen“). Es ist daher wahr- scheinlich, so die Autoren, dass der Nieder- gang des allgemeinen Vertrauens mit der zunehmenden Skepsis und Wachsamkeit gegenüber Leuten von Institutionen und Gruppen zusammenhängt, mit denen der einzelne Beschäftigte der Finanzindustrie regelmäßig in geschäftlichem Kontakt steht respektive von denen er abhängig ist. Drei Hypothesen Als Begründung für diesen relativen Rückgang des allgemeinen Vertrauens ver- weisen die Autoren auf drei einander nicht ausschließende Erklärungsansätze: Ände- rungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, Selektion und Sozialisation. Der erste Ansatz, der von geänderten wirt- schaftlichen Bedingungen ausgeht, argu- mentiert, dass die zunehmende Ungleichheit unterschiedliche Auswirkungen auf die » Das aktuelle Paycheck Protection Program in den USA zeigt, wie nötig Vertrauen in der Finanzindustrie ist. « Henrik Schürmann, Doktorand am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate Governance der Bergischen Universität Wuppertal Schwindendes Vertrauen Residuales Vertrauen in der Finanzindustrie fällt schneller Jährliche Differenzen des Vertrauens und Trend Die linke Grafik zeigt, wie das residuale Vertrauen in der Finanzindustrie schneller fällt als in der US-Bevölkerung, die rechte die jährlichen Differenzen des residualen Vertrauens sowie den abnehmenden Langfristtrend von 1978 bis 2016. Das residuale Vertrauen ist jener Teil des Vertrauens, der nicht durch demografische und sozioökonomisch oder regionale Faktoren erklärt werden kann. Quelle: Studie -0,2 % -0,1 % 0 % 0,1 % 0,2 % 0,3 % -0,2 % -0,1 % 0 % 0,1 % 0,2 % 0,3 % Quotient Quotient Vertrauen in der Finanzindustrie US-Bevölkerung Jährlichen Differenzen des residualen Vertrauens Vertrauenstrend 2015 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 2015 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 98 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | VE R T RAUEN I N D I E F I NANZ I NDUS T R I E FOTO : © UN I WU P P E RTA L

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=