Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

zeigten sich die Ergebnisse widerstandsfähig bezüglich verschiedener Liquiditätsmaße und alternativer Schätzmethoden von EDL- Risiko. Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Ergebnisse auch bei einer marktka- pitalisierungsgewichteten Analyse zutreffen, wenn man nur die Top-fünf-Prozent der Ak- tien mit dem größten Market Cap, die na- turgemäß extrem liquide sind und für die li- quiditätsbezogenen Risiken ein geringes Problem darstellen, weglässt. Die Studie von Ruenzi, Ungeheuer und Weigert bereichert die Literatur zur Kapitalmarktforschung in dreierlei Hin- sicht. Einmal geht es um die Auswir- kung von Illiquidität und Liquiditätsrisi- ken auf Aktienrenditen. Yakov Amihud und Haim Mendelson zeigten bereits 1986 in ihrer Analyse „Asset Pricing and the Bid-Ask Spread“ empirisch und theoretisch, dass Aktien mit geringer Li- quidität höhere Renditen abliefern. Albert Menkveld und Ting Wang gelangten 2012 in ihrer Arbeit mit dem Titel „How Do De- signated Market Makers Create Value for Small-Caps?“ zu dem Ergebnis, dass Ak- tien, die mit einer höheren Wahrscheinlich- keit ein niedriges Liquiditätsniveau aufwei- sen, über eine Risikoprämie verfügen. Ru- enzi, Ungeheuer und Weigert gehen hier ei- nen Schritt weiter und fokussieren sich nicht auf individuelle extrem niedrige Li- quiditätsniveaus, sondern auf die gemeinsa- me Wahrscheinlichkeit, dass eine Aktie ex- trem illiquide und gleichzeitig die Markt- rendite extrem niedrig ist, respektive dass eine Aktie eine extrem niedrige Rendite auf- weist und gleichzeitig die Marktliquidität extrem gering ausfällt. Der Fokus richtet sich hier also auf eine systematische Risi- kokomponente. Zweitens trägt diese Studie zur Literatur über das Asset Pricing in Bezug auf das sel- tene Desaster- und Crashrisiko bei. Andrew Ang, Josef Chen und Yuahn Xing bemerk- ten 2006 in „Downside Risk“, dass Aktien mit einem hohen Downside-Beta höhere Renditen generieren. Jüngere Studien unter- suchten die Auswirkung des Crashrisikos von Aktienrenditen und des Tail-Risikos dieser Renditen auf die erwarteten Rendi- ten. Sie stellten fest, dass Investoren eine zusätzliche Kompensation dafür verlangen, absturzgefährdete Aktien, also solche, die besonders schlechte Renditen bei Markt- crashs aufweisen, zu halten. Henk Berk- man, Ben Jacobsen und John B. Lee zeigten 2011 in der Arbeit „Time-Varying Rare Dis- aster Risk and Stock Returns“, dass die Ri- sikoprämien für seltene desaströse Entwick- lungen nach Krisen steigen. Hier ergänzt die Arbeit von Ruenzi, Ungeheuer und Weigert deren Erkenntnisse, indem sie festhalten, dass EDL-Risikoprämien ebenso nach dem Crash 1987 gestiegen sind. Drittens erweitert das Autorentrio die Ka- pitalmarktforschung im Hinblick auf die An- wendung der Extremwerttheorie und von Copulas beim Pricing von Aktien. Copulas werden hauptsächlich bei bivariaten Ertrags- verteilungen zwischen verschiedenen inter- nationalen Aktienmärkten eingesetzt und um Ansteckungen zu messen. Chabi-Yo und sei- ne Co-Autoren analysierten 2018 extreme Abhängigkeitsstrukturen zwischen einzelnen Aktien und dem Markt. Dabei fanden sie heraus, dass extreme Abhängigkeiten be- preiste Faktoren bei Aktienrenditen darstel- len. Bis jetzt wurde die Extremwerttheorie angewendet, um Abhängigkeitsmuster zwi- schen unterschiedlichen Märkten und ver- schiedenen Assets genauso wie von Einzel- aktien- und Marktrenditen zu beschreiben. Die drei Autoren halten sich zugute, die Ers- ten zu sein, die extreme Abhängigkeitsstruk- turen zwischen Liquidität und Renditen auf Einzeltitel- und Marktebene untersuchen. Die praktische Relevanz der Erkenntnisse der Studie von Ruenzi, Ungeheuer und Wei- gert darf man nicht unterschätzen. Denn die- se enthalten wichtige Implikationen für die Messung von Portfolioperformance und die Finanzmarktstabilität: Falls Finanzmarkt- player die Folgen eines Aktiencrashs nicht tragen müssen, weil sie mit einem Bail-out rechnen, könnten sie versucht sein, Aktien mit hohem EDL-Risiko zu erwerben, um die in der Studie dokumentierte Risikoprämie zu erhalten. Das wäre dann ein klassischer Fall von „Moral Hazard“. Ein solches Verhalten würde den Finanzmarkt allerdings fragiler machen, was in Zeiten einer geforderten An- tifragilität kein zukunftsfähiges Modell dar- stellt. DR. KURT BECKER Tradingstrategie Ergebnisse einer Long/Short-Strategie in den drei verschiedenen EDL-Risiken Auf Basis des um einen Liquiditätsfaktor erweiterten Vier-Faktor-Modells von Carhart werden je einzelnem EDL-Risiko marktneutrale Portfolios aus Long-Positionen der Aktien des 1. Quintils mit hohem EDL-Risiko 1 (bzw. 2 oder 3) und Short-Positionen aus Aktien des 5. Quintil mit niedrigem EDL-Risiko 1 (bzw. 2 oder 3) gebildet und ein kumuliertes Alpha errechnet. Dazu kommt ein monatliches Rebalancing. Berechnung ohne Tradingkosten. Beobachtungszeitraum: Januar 1969 bis Dezember 2012. Quelle: Studie -30 % 0 % 30 % 60 % 90 % 120 % 150 % 180 % 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 1970 Strong-Weak EDL-Risiko 1 Strong-Weak EDL-Risiko 2 Strong-Weak EDL-Risiko 3 Cumulative Alpha » Investoren rufen eine Risiko- prämie für extreme Downside- Liquiditätsrisiken auf. « Prof. Dr. Stefan Ruenzi, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Finanzierung an der Universität Mannheim 90 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : R I S I KOPRÄMI EN FOTO : © UN I MANNHE I M

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