Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

ken wahrscheinlich beim Test durchfallen werden. Sie dokumentierten eine Beziehung zwischen der Rendite der Bankaktie am Tag der Ankündigung des Tests und deren Per- formance am Tag der Publikation des Er- gebnisses. Thomas Philippon, Pierre Pessa- rossi und Boubacar Camara evaluierten 2017 in „Backtesting European Stress Tests“ die Qualität der Bankenstresstests in Europa, indem sie die vorhergesagten Ver- luste mit den tatsächlich eingetretenen ver- glichen. Für mehrere US-Stresstests beob- achteten Glasserman und Tangirala 2016, dass Stresstestergebnisse mit der Zeit besser zu prognostizieren waren, während Mark Flannery, Beverly Hirtle und Anna Kovner 2017 in ihrer Arbeit „Evaluating the infor- mation in the federal reserve stress test“ zeigten, dass die Reaktionen des Marktes auf Stresstests bei risikoreicheren Banken – also Banken mit einem höheren Leverage – ausgeprägter ausfielen. Die Arbeit von Ahnert, Vogt, Vonhoff und Weigert stellt hierbei insofern eine Bereicherung dar, als sie ein Prognosemodell für das Bestehen respektive Nichtbestehen des Stresstests kreiert, das auf allen zwölf bisher bestehen- den Stresstests aus beiden Rechtskreisen aufsetzt. Vorhersagbarkeit Angesichts eines bestimmten Ausma- ßes an Vorhersagbarkeit eines Stresstests scheint es plausibel, dass dieser Um- stand sowohl von den getesteten Banken als auch von informierten Investoren genutzt werden kann, um von den in der Kapitalmarktforschung dokumentierten Kapitalmarktkonsequenzen am Tag der Veröffentlichung der Ergebnisse zu pro- fitieren. Diese strategische Option stellt ebenfalls ein Novum bei den Untersu- chungen zu Bankenstresstests dar, das die Autoren für sich reklamieren. Einer- seits sollten Banken, die voraussichtlich beim Stresstest durchfallen werden, we- gen der negativen Kapitalmarktkonse- quenzen am Tag der Ergebnisbekannt- gabe besorgt sein und sich proaktiv dar- um bemühen, ihre Kapitalstruktur ent- sprechend zu optimieren. Im Einklang mit dieser Idee lässt sich zeigen, dass Banken, denen ein Nichtbestehen eines Stresstests aufgrund des Prognosemo- dells vorhergesagt wird, zusätzliches Ka- pital innerhalb der 180 Tage bis zur Ver- öffentlichung der Stresstestergebnisse über- proportional oft aufbringen (siehe Grafik „Eine Frage des Timings“). Ein solches Verhalten lässt sich bei Banken, die den Stresstest voraussichtlich bestehen werden, nicht belegen. Konkret kündigten 18 Pro- zent der Banken, denen man nach dem Modell ein Nichtbestehen des Stresstests vorhersagte, in besagtem 180-Tage-Zeit- fenster vor der Bekanntgabe der Resultate eine Kapitalmaßnahme an, während es von den nicht getesteten Banken nur 4,3 Prozent und von den mit einer positiven Prognose versehenen Banken 8,3 Prozent sind, die in besagtem Zeitfenster Kapitalmaßnahmen ergriffen. Die potenziell durchgefallenen Banken führen aber nicht nur mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Kapitalerhöhung durch, sie erhöhen ihr hartes Kernkapital auch deutlich stärker als ihre Konkurrenten, die wahrscheinlich bestehen, denn im Schnitt wächst ihre harte Kernkapitalquote um 2,7 Prozent, während es bei den fitteren Häusern im Durchschnitt nur 0,7 Prozent- punkte sind. Diese Differenz ist statistisch signifikant (Konfidenzniveau: 99 Prozent). Informierte Investoren können ebenfalls von den nachweisbaren Reaktionen des Kapitalmarktes profitieren. So zeigen die Autoren, dass eine Handelsstrategie, bei der man Aktien von Banken kauft, die voraus- sichtlich den Test bestehen werden, und gleichzeitig Titel von Häusern leer verkauft, die wahrscheinlich durchfallen werden, am Tag der Verlautbarung der Stresstestergeb- nisse eine abnormale Rendite von 70 Basis- punkten erzielt. Im Einklang mit diesem Handelsansatz können die Autoren belegen, dass das Short Interest von US-Banken, die voraussichtlich durch den Test fallen wer- den, zwischen Stresstestbekanntgabe und Publikation der Resultate um 26,76 Prozent zunimmt. Gleichzeitig ist eine Zunahme von offenen Short-Positionen bei Aktien von Banken, die wahrscheinlich bestehen werden, und solchen, die gar nicht getestet werden, nicht zu bemerken. Weitere Fragen Eine Frage, mit der sich die vorliegende Studie nicht befasst, die aber eine andere Untersuchung wert wäre, lautet: Ist das höhere Ausmaß der Prognostizierbarkeit von Stresstestresultaten für den Stresstest- prozess als solchen nachteilig? Schließlich könnte ein Überraschungsmoment und damit weniger Berechenbarkeit im Sinne der Aufsichten als Herrinnen des Verfahrens sein. DR. KURT BECKER Eine Frage des Timings Potenzielle Durchfallkandidaten führen Kapitalerhöhungen oft vor Stresstestergebnis durch. Banken, die aufgrund der Erkenntnisse aus dem Prognosemodell den Stresstest wahrscheinlich nicht bestehen werden, führen Kapitalmaßnahmen mit höherer Wahrscheinlichkeit durch als Banken, die nicht am Test teilnehmen oder diesen wohl bestehen werden in den 180 Tagen bis Bekanntgabe der Stresstestergebnisse. Quelle: Studie Auswirkung auf die harte Kern- kapitalquote Banken, die den Stresstest wahrscheinlich nicht bestehen 8 % 6 % 4 % 2 % 0 % -180 Tage Tage -120 -60 0 60 120 180 Tage vor (links der O) und Tage nach dem Datum der Bekanntgabe des Stresstestresultats (rechts von O) Banken, die den Stresstest wahrscheinlich bestehen Nicht getestete Banken Piraeus Bank 2011 Banca Carige 2014 Banca Carige 2011 Banco Comercial Portugues 2014 Banco Comercial Portugues 2011 Banca Monte Dei Paschi 2016 Hellenic Bank 2014 Danske Bank 2014 Credito Valtellinese 2014 BPER Banca 2014 Huntington Bancshares 2016 Fith Third Bancorp 2013 82 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | BANK EN

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