Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

bestärkt, die größtmögliche Stichprobe so- wohl aus den USA als auch Europa für ihre Analyse heranzuziehen. Damit schließen sie in ihre Untersuchung auch die CCAR-US- Stresstests der Jahre 2016, 2017 und 2018 sowie den Stresstest der EBA von 2018 mit ein, die alle vier noch nie in der wissen- schaftlichen Literatur untersucht wurden. Unterschiedliche Testdesigns Der zweite wichtige Beitrag, den diese Studie leistet, betrifft die Reaktion des Marktes auf Stresstestankündigungen. Die Autoren dokumentieren, dass an diesen Ta- gen die Auswirkungen an den Kapitalmärk- ten in die entgegengesetzte Richtung deuten im Verhältnis zu den Auswirkungen der Verlautbarungen der Stresstestergebnisse. Das bedeutet, dass Banken, von denen pu- blik wird, dass sie einem Stresstest unterzo- gen werden, eine signifikant negative abnor- male Rendite von 21 Basispunkten sowie einen signifikant um 52 Basispunkte ausge- weiteten CDS-Spread am Tag der Bekannt- machung, dass ihre Bilanzen gestresst wer- den, zu gewärtigen haben. Dabei konstatiert das Autorenquartett, dass diese Resultate wesentlich mitbestimmt werden von Ban- ken, die zum ersten Mal einem Stresstest unterzogen werden. Hier liegen die abnor- malen negativen Aktienrenditen bei 34 Ba- sispunkten und die abnormal ausgeweiteten CDS-Spreads bei 72 Basispunkten. Ähnli- ches gilt im Übrigen für Banken, die sich aufgrund ihrer Größe und anderer Charak- teristika an der Schwelle zur Aufnahme in Stresstests stehen: Dort sind im Schnitt ab- normale negative Aktienrenditen von 42 Basispunkten sowie abnormale CSD-Spre- ad-Ausweitungen um 71 Basispunkte zu be- obachten. Kombiniert man die Ergebnisse vom Ankündigungstag und vom Tag der Publikation des Ergebnisses, wie es die Au- toren hier tun, dann ist die gesamte Markt- reaktion statistisch nicht von null zu unter- scheiden. Der dritte wichtige Beitrag, den diese Studie zur Kapitalmarktforschung leistet, besteht darin, dass die Auswirkungen der Stresstestankündigungen und -ergebnisse auf den Kapitalmarkt getrennt für US- CCAR- und EBA-Stresstests untersucht wurden. Dies ist insofern interessant, als sich die Testdesigns dies- und jenseits des Großen Teiches doch deutlich voneinander unterscheiden. So ist etwa die Architektur der US-Stresstests gleichförmiger, und die Zahl der getesteten Banken ist im Zeitablauf stabiler. Aber auch die regulatorischen Me- chanismen in den USA – beispielsweise die Maßnahmen, die im Fall des Nichtbeste- hens einer Bank greifen und Dividenden- streichungen oder auch Kapitalerhöhungen erfordern – besitzen eine höhere Glaubwür- digkeit als bei den Maßnahmen für euro- päischen Banken, die beim EBA-Stresstest durchfallen. Andererseits veröffentlichen die europäischen Regulatoren viel detailliertere Daten zu den Banken als amerikanische Re- gulatoren. Empirisch lässt sich feststellen, dass die Stresstestauswirkungen auf die Kapitalmärkte in den USA und Europa ähn- lich sind: Abnormale Aktienrenditen und CDS-Spreads in den USA und Europa unterscheiden sich statistisch nicht vonein- ander, und zwar sowohl am Ankündigungs- tag als auch am Tag der Publikation der Er- gebnisse. Folglich konnten die Autoren trotz der Unterschiede in bestimmten Details be- obachten, dass US-amerikanische und euro- päische Stresstests Marktreaktionen in ähn- licher Größenordnung auslösen. Was wirklich Prognosekraft hat Viertens untersucht die vorliegende Ar- beit, ob verschiedene Variablen, die am Tag nach der Ankündigung eines Stresstests pu- blik werden, das Endergebnis eines Stress- tests in Form von abnormalen Aktienrendi- ten und CDS-Spreads vorhersagen können. Zu diesem Zweck haben die Autoren die Stresstestergebnisse von Banken auf ver- schiedene Bankcharakteristika sowie die Tagesrendite am Stresstestankündigungstag regressiert. Dabei gelingt es ihnen zu zei- gen, dass dem Eigenkapital der Bank, dem Verhältnis der notleidenden Kredite (NPLs, Non-Performing Loans) zur Kernkapital- quote der Bank und der Rendite am Ankün- digungstag des Stresstests eine signifikante Prognosekraft in Bezug auf das Bestehen beziehungsweise Nichtbestehen des Stress- tests innewohnt. Wenn man dieses Prognosemodell in- sample testet, dann klassifiziert es korrekt 210 von 218 Banken, die den Stresstest be- stehen, sowie acht von zehn, die durchfallen. Bei einer Out-of-sam- ple-Analyse sind es 139 von 142 respektive sechs von acht Banken, wenn man den Schwellenwert dafür, dass die Bank den betreffen- den Stresstest besteht, bei 50 Pro- zent ansetzt (Passing Likelihood). Dieser Schwellenwert bezieht sich auf die prognostizierte Wahrschein- lichkeit, dass die Bank den Test be- steht, und wird aus der logistischen Regres- sion, die auf verschiedene Bankcharakteri- stika kalibriert wird, hergeleitet. Die Resul- tate blieben im Übrigen dieselben, wenn man diesen Schwellenwert auf 60 oder 70 Prozent erhöht. Prognosemodell Die Frage, ob Stresstestergebnisse durch die Fundamentaldaten der Banken, wie man sie vom Tag nach der Stresstestankündi- gung her kennt, prognostizierbar sind, wur- de in der Literatur bis jetzt kaum behandelt. Barucci, Baviera und Milani haben 2018 auf Basis der Daten des EBA-Stresstests von 2014 die Verbindung von Bank Funda- mentals – allerdings vom Tag der Bekannt- gabe der Stresstestergebnisse – und den Resultaten der Stresstests untersucht. Ähn- lich dem Ergebnis der Arbeit des Autoren- quartetts korrelierten unter anderem die Kapitalisierung der Bank und das Exposure zu NPLs mit der Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Hauses, den Stresstest zu beste- hen beziehungsweise nicht zu bestehen. Morgan, Peristiani und Savino analysierten 2014 genauso wie Carboni, Fiordelisi, Ricci und Lopes im Jahr 2017, ob der Markt großteils selbst entschlüsselt, welche Ban- » Banken, die den Stresstest nicht bestehen, werden vom Markt beim Aktienkurs und CDS-Spread abgestraft. « Dr. Volker Vonhoff, Partner bei Boston Consulting Group (BCG), Stuttgart N o. 4/2020 | www.institutional-money.com 81 T H E O R I E & P R A X I S | BANK EN FOTO : © S T E FAN SCHWA R Z

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