Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

auch einfach der jeweilige Wirtschafts- zyklus gewesen sein, der zum Problem für das Unternehmen geworden ist. Insgesamt variiert natürlich je nach Branche oder Unternehmen der Katalog der zu stellenden Fragen. Sie meinen, man muss als guter Value- Investor eine Art holistischen Blick auf das betreffende Unternehmen inklusive seiner Historie und seiner heutigen Situation werfen? Richard Pzena: So kann man es vielleicht ausdrücken. Ein ernst zu nehmender Value- Investor untersucht praktisch das gesamte Spektrum an möglichen Entwicklungen, die eintreten könnten, damit es einem Unter- nehmen im positiven Fall gelingt, seiner Rentabilität wieder zu früherem Glanz zu verhelfen. Andererseits muss er zu erkennen versuchen, was dazu führen könnte, dass das jeweilige Unternehmen bei dem Ver- such, zu seiner früheren Stärke zurückzu- kehren, eventuell scheitern könnte. Und am Ende seiner Analyse muss er entscheiden, was das wahrscheinlichste Ergebnis in die- sem gesamten Spektrum von Möglichkeiten sein wird. Und jetzt frage ich Sie: Wie wollen Sie eine solche Analyse mit einem faktorbasierten Modell replizieren? In der Praxis sind es natürlich die bekann- ten Kennzahlen, die dabei zum Einsatz kommen. Richard Pzena: Über solche Kennzahlen lässt sich vielleicht feststellen, ob die Aktie eines Unternehmens gerade preiswert zu kaufen ist. Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob man dahinter eine werthaltige Substanz findet. Jeder in der Welt kann ein Portfolio mit niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis oder niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis er- stellen. Dazu braucht man keine besonderen Fähigkeiten. Man kann ein ausgeklügeltes quantitatives Modell nehmen und mehrere Faktoren kombinieren, die sogar besser als ein einzelner Faktor sein können. Vielleicht sind sie das auch, andererseits ist es mög- lich, eine Value-Aktie zu finden, die preis- wert ist und dennoch zu einem hohen Kurs- Buchwert-Verhältnis oder einem hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis oder sogar beidem gehandelt wird. Als Investor darf man Zah- len nicht in einer Art Vakuum betrachten. Was wollen Sie damit genau ausdrücken? Richard Pzena: Ernsthaft betrachtet ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis aus offensichtli- chen Gründen fehlerhaft, und der Buchwert basiert auf historischen Kosten, die nicht die Realität der wahren Vermögenswerte des Unternehmens widerspiegeln. Das Kurs- Gewinn-Verhältnis ist deshalb fehlerhaft, weil die Gewinne eines Unternehmens stark zyklisch sein können. Nur weil ein Unter- nehmen heute gut verdient, heißt das noch lange nicht, dass es auch in Zukunft gut verdienen wird. In ähnlicher Weise ist das Verhältnis von Kurs zu Umsatz nur so etwas wie eine Momentaufnahme des Umsatzes eines Unternehmens. Es sagt jedenfalls nichts über die Margenstruktur des Unter- nehmens oder dessen künftigen Umsatz aus. Nach solchen Kennzahlen zu investieren ist kein wirkliches Value-Investing. Es handelt sich lediglich um ein Investment nach quan- titativen Faktoren. Sie würden doch heute auch keinen Pferdepeitschenhersteller mehr kaufen, nur weil dieser Hersteller mit einem niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis an der Börse notiert. Denn nach meiner Wahr- nehmung gehören Kutschen heute in kaum einer Großstadt noch zum Stadtbild. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Wer wollte denn behaupten, es gäbe einen wirklich objektiven Prozess, die Zukunft eines Unternehmens zu prognostizieren? « Richard Pzena, Pzena Investment Management 64 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : R I CHARD PZ ENA | PZ ENA I NVE S TMENT MANAGEMENT FOTO : © GA RY S P ECTOR

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