Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

vorerst das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Viel mehr wird den Nettozahlerländern vorerst kaum zu vermitteln sein. Sind Coronabonds nicht in Wahrheit eine Art Blaupause für eine stärkere wirtschaft- liche Integration innerhalb der EU? Clemens Fuest: Coronabonds sind kein klar definierter Begriff. Derzeit bekommen wir in großem Umfang Bonds der EU, die zur Finanzierung des neuen Fonds ausgegeben und von den Mitgliedsstaaten garantiert werden. Es ist durchaus möglich, dass diese Bonds zur Integration der Kapitalmärkte beitragen. Welche Rolle kommt der Geldpolitik künftig noch zu? Sind die Notenbanken nicht lang- sam mit ihrem Latein am Ende? Clemens Fuest: An der Nullzinsgrenze ist die Wirksamkeit der Geldpolitik eingeschränkt. Trotzdem spielt sie nach wie vor eine zen- trale Rolle. Die EZB setzt immer mehr neuartige Instrumente ein, um ihr selbst gesetztes Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent zu erreichen. Bislang ist der Erfolg überschaubar. Ist der EU-Rettungsfonds nicht deutlich zu schwach und kommt er nicht viel zu spät? Und droht sich dadurch nicht die konjunk- turelle Diskrepanz zwischen den USA und Europa noch zu vergrößern? Clemens Fuest: Der EU-Rettungsfonds bringt einigen Mitgliedsstaaten erhebliche Unter- stützung, bis zu zehn Prozent des BIP. Dass das Geld nicht sofort kommt, ist nicht schlimm, weil die EU-Staaten sich derzeit an den Kapitalmärkten gut verschulden können. Dass sie das können, hat auch mit den erwarteten Transfers zu tun. Derzeit sieht es allerdings in der Tat so aus, also würden die USA die Krise besser über- stehen als die EU. Ob das wirklich so kommt, bleibt allerdings abzuwarten. Folgt nach der Krise die große Zinswende? Clemens Fuest: Ich gehe davon aus, dass die Zinsen für längere Zeit niedrig bleiben. Die privaten Ersparnisse haben in der Krise deutlich zugenommen, während die Inves- titionen gesunken sind. Mit höheren Zinsen könnte man nur bei einem stärkeren Wachs- tum oder steigenden Inflationserwartungen rechnen. Müssen wir uns am Ende doch auf die gro- ße Inflation einstellen? » Die privaten Ersparnisse haben in der Krise deutlich zugenommen, während die Investitionen gesunken sind. « Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts Moderator zwischen Forschung und Praxis Clemens Fuest ist Professor für Volkswirtschafts- lehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als Präsident leitet er das dort ansäs- sige ifo Institut. Er ist außerdem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministe- rium der Finanzen. Nach dem Abitur erhielt er ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, sein Studium der Volks- wirtschaftslehre schloss er an der Universität Mannheim mit Diplom ab. Drei Jahre später promovierte er an der Uni- versität Köln, im Jahr 2000 habilitierte er sich an der Universität München. Zu seinen Forschungsschwer- punkten gehören neben der Wirtschafts- und Finanzpolitik die Steuerpolitik und Unterneh- mensfinanzierung sowie die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Fuest, der als Vertreter einer ordo- liberalen Position gilt, rangiert im FAZ-Ökono- menranking auf Platz zwei, nur wenige Punkte hinter dem Schweizer Ernst Fehr von der Uni Zürich. Fuest hat zahlreiche Fachaufsätze verfasst, aber auch populärwissenschaftliche Bücher. In seinem im Juli erschie- nenen Buch mit dem Titel „Wie wir unsere Wirtschaft retten: Der Weg aus der Corona-Krise“ setzt er sich mit Folgen und Lösungs- möglichkeiten in Bezug auf die Pandemie auseinander. 42 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | C L EMENS FUE S T | I FO I NS T I TUT FOTO : © CHR I S TOP H HEMME R I CH

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