Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

knappt. Ein anderes Beispiel ist die um sich greifende Tendenz zu politischer Investi- tionslenkung unter der Fahne der Nachhal- tigkeit und des Klimaschutzes. Klimaschutz ist sehr wichtig, aber weil er so wichtig ist, müssen wir ihn so effizient wie möglich umsetzen. Dabei steht der CO 2 -Preis im Mittelpunkt. Wir müssen CO 2 -Emissionen klar begrenzen und einheitlich bepreisen; wo letztlich das CO 2 eingespart wird, sollte aber größtenteils durch Marktmechanismen entschieden werden. Das unkoordinierte Verfolgen von Klimazielen in so unter- schiedlichen Politikbereichen wie der Fi- nanzmarktregulierung, der Geldpolitik und der Wettbewerbspolitik, wie sich das derzeit andeutet, verteuert den Klimaschutz und führt zu Fehlinvestitionen und überflüssiger Bürokratie. Überfordern die Konjunkturstützen die Staatsfinanzen? Clemens Fuest: Wenn die Konjunkturstützen wirken, helfen sie letztlich nicht nur der Konjunktur, sondern auch den Staatsfinan- zen. Es ist allerdings wichtig, bei den Hilfen darauf zu achten, dass das Verhältnis aus Nutzen und Kosten stimmt. Eine höhere Staatsverschuldung ist wohl der Preis für eine kurzfristige Stabilisierung der Wirtschaft. Aber wie können Staats- schulden, die zum Teil schon vor der Krise eine bedenkliche Höhe erreicht hatten, überhaupt jemals wieder abgebaut werden? Clemens Fuest: Es geht weniger darum, sie abzubauen, sondern darum, die Schulden- quote, also das Verhältnis aus Schulden und Wirtschaftsleistung auf einem vernünftigen Niveau zu stabilisieren, damit in der nächs- ten Krise wieder Spielräume für Konjunk- turstützen bestehen. Das wird angesichts wachsender Lasten durch die Alterung der Bevölkerung schwer genug. Warum befürchten Sie eine Rückkehr der Gespenster der Eurokrise? Clemens Fuest: Es zeigt sich, dass die wirt- schaftlichen Divergenzen in der Eurozone durch die Krise massiv zunehmen. Es ist unklar, ob Länder wie Italien und Spanien ihre Staatsschulden finanzieren können, wenn eines Tages die EZB aufhört, Staats- anleihen aufzukaufen. Es kann auch sein, dass die EZB genau deswegen nicht recht- zeitig aufhört. Beides würde zu Spannungen führen. Wie kann den hoch verschuldeten Staaten der EU aus ihrem Dilemma geholfen werden? Clemens Fuest: Die EZB und der ESM kön- nen für begrenzte Zeit dafür sorgen, dass die Investoren an den Kapitalmärkten das Vertrauen in die Staatsfinanzen dieser Län- der nicht verlieren. Die Hilfen im Rahmen des EU-Fonds „Next Generation EU“ tra- gen dazu auch bei. Dieses Vertrauen ist wichtig, weil sonst die Risikoprämien auf Staatsanleihen steigen und die Bedienung der Schulden schwierig wird. Letztlich las- sen sich die Finanzen dieser Länder aber nur durch Wirtschaftswachstum sanieren. Dafür die Bedingungen zu schaffen ist pri- mär Aufgabe der nationalen Regierungen. Droht die EU zu einer dauerhaften Transfer- union zu werden? Clemens Fuest: Sie ist eine dauerhafte Trans- ferunion, aber bislang waren die Transfers überschaubar. Mit dem EU-Fonds werden die Transfers ausgedehnt, aber damit dürfte » Es ist unklar, ob Länder wie Italien und Spanien ihre Staatsschulden finanzieren können, wenn eines Tages die EZB aufhört, Staatsanleihen aufzukaufen. « Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts 40 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | C L EMENS FUE S T | I FO I NS T I TUT FOTO : © CHR I S TOP H HEMME R I CH

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