Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Herr Prof. Fuest, Sie haben im Juli Ihr jüngstes Buch mit dem Titel „Wie wir unse- re Wirtschaft retten“ veröffentlicht. Sind vie- le der Inhalte inzwischen etwa schon wieder obsolet geworden? Clemens Fuest: Das hoffe ich nicht. Ich habe erwartet und im Buch geschrieben, dass die Pandemie länger bleibt, wir mit ihr zu leben und zu arbeiten lernen müssen und dass wir in einer Art 90-Prozent-Ökonomie landen, in der ein Teil der Wirtschaft – die Sektoren mit hoher Ansteckungsgefahr – nur sehr eingeschränkt funktioniert. Genau das scheint sich zu bestätigen. Die Kapitel zu den längerfristigen Folgen der Krise halte ich nach wie vor für aktuell und sehr relevant. Man kann das Buch also gut zu Weihnachten verschenken (lacht) . In Ihren Augen stellt die Coronakrise die globale Finanzkrise in den Schatten. Warum ist die Coronakrise dramatischer? Clemens Fuest: Der weltweite Einbruch des Wirtschaftswachstums ist deutlich größer als 2009, die Arbeitsmarktwirkungen sind massiver. Derzeit hat man sogar den Ein- druck, dass die Krise sich länger hinziehen könnte als die Finanzkrise, obwohl die Da- tierung von Anfang und Ende der Finanz- krise unterschiedlich gesehen werden kann. Sie warnen vor allzu starken dirigistischen Eingriffen und einem zu großen Einfluss des Staates auf die Wirtschaft. Was sind Ihre Befürchtungen, und was wäre die Alterna- tive in der aktuellen Situation? Clemens Fuest: Während der Krise brauchen wir massive staatliche Eingriffe in die Wirt- schaft. Anders ist die Konjunktur nicht zu stabilisieren. Für problematisch halte ich an- dere Eingriffe, die schon vor der Krise um sich griffen und sich verstärken. Ein Bei- spiel ist die Mietpreisbremse. In Berlin sehen wir, dass die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt sehr schädlich sind, das Angebot an Mietwohnungen sich stark ver- » Vertrauen ist wichtig, weil sonst die Risiko- prämien auf Staats- anleihen steigen und die Bedienung von Schulden schwierig wird. « Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts Unternehmen blicken deutlich skeptischer in die Zukunft Im Oktober erster Rückgang des ifo Geschäftsklimaindex nach fünf Anstiegen Die Stimmung unter Unternehmens- lenkern hat sich eingetrübt. Der ifo- Geschäftsklimaindex ist im Oktober auf 92,7 Punkte gesunken – nach 93,2 Punkten im September. Das ist der erste Rückgang nach fünf Anstiegen in Folge. Die Unternehmen blicken deutlich skeptischer auf die Entwicklung in den kommenden Monaten. Ihre aktuelle Situation beurteilten sie hingegen etwas besser als im Vormonat. Angesichts steigender Infektionszahlen nehmen die Sorgen der deutschen Wirt- schaft zu. Im verarbeitenden Gewerbe liegt der Geschäftsklimaindikator erstmals seit Juni 2019 wieder im positiven Bereich. Der zuletzt aufgekommene Optimismus hat aber einen merklichen Rückschlag erhalten. Im Dienstleistungssektor hat sich das Geschäftsklima hingegen merklich ver- schlechtert. Die Dienstleister waren weniger zufrieden mit ihrer aktuellen Lage. Zudem ist der Optimismus der Vormonate zur weiteren Geschäftsentwicklung wieder verschwunden. Im Handel ist der Geschäftsklimaindikator leicht gesunken. Auch im Bauhauptgewerbe ist die Aufwärtsbewegung gestoppt. Quelle: ifo Institut 70 % 80 % 90 % 100 % 110 % 120 % 2020 I 2019 I 2018 I 2017 I 2016 I 2015 Geschäfts- klima Geschäfts- lage Geschäfts- erwartungen Indexwerte 38 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | C L EMENS FUE S T | I FO I NS T I TUT FOTO : © CHR I S TOP H HEMME R I CH

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