Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Gesetzgeber, Regulatoren und Zentral- banken gleich mit in der Abhängigkeitsfalle. Sie sind froh, die Verantwortung für weit- reichende finanzpolitische Entscheidungen auf externe Ratingagenturen abwälzen zu können. Außerdem benötigen sie eine glaubwürdige Bonitätsbeurteilung, damit Banken zuverlässig ihre Eigenmittel und Versicherer ihre Solvenzquoten berechnen können. Wer sonst, wenn nicht die Agen- turen, sollte die Bonität der Emittenten und Papiere beurteilen, die Banken, Versicherer, Pensionskassen und andere Investoren kaufen? EZB braucht die Agenturen Auch die EZB ist auf die Ratingagentu- ren angewiesen. Sie nutzt sie unter ande- rem, um nicht selbst heikle Entscheidungen treffen zu müssen. So verlangt die EZB bei- spielsweise, dass die Papiere, die bei ihr als Sicherheiten eingereicht werden, ein ausrei- chendes Rating von einer dieser vier Agen- turen aufweisen: Moody’s, S&P, Fitch und DBRS. Dabei zählt das beste Rating. Dieser Umstand katapultiert die Rolle der kleinen kanadischen Agentur DBRS in die Höhe, die ansonsten eher ein Nischenanbieter ist. Sie hat in vielen Fällen Ratings erteilt, die besser waren als die der anderen Anbieter, und damit so manchem Staat und so man- cher Bank über die Klinge geholfen. Wenn Moody’s, S&P und Fitch beispiels- weise eines der südeuropäischen Länder downgraden, aber DBRS weiterhin den Daumen hoch hält, können spanische, ita- lienische und portugiesische Papiere noch als Sicherheit bei der EZB eingereicht wer- den. Das erhöht den Finanzierungsspiel- raum der Banken, die solche Papiere vor- legen. Günstig ist in dem Zu- sammenhang für die EZB, dass die Entscheidungen nicht von ihr, sondern von den unabhängigen Ratingagentu- ren getroffen werden. Solange sich regulierungs- seitig nicht viel tut, bleibt den Daten-Usern die Möglichkeit, sich der Macht von Moody’s, S&P und Fitch zu entziehen, indem sie andere Ratingagen- turen stärken. Doch die altein- gesessenen Agenturen haben in den Jahrzehnten eine hohe Expertise und Reputation auf- gebaut. „Es ist gar nicht so einfach, andere Ratingagenturen zu finden, die eine ähnlich hohe Analysegüte, Abdeckung von Emitten- ten, Transparenz und Anbindung zu Infor- mationssystemen wie Bloomberg aufwei- sen. Wenn eine Ratingagentur nicht an ähn- liche Analysestandards der drei großen US- Ratingagenturen herankommt, scheidet sie bei Ampega und Talanx aus“, erklärt Michael Sonnefeld, Senior Credit Analyst bei Ampega Asset Management, dem Ver- mögensverwalter von Talanx. Versicherer stärken Scope Ein Hoffnungsträger ist die in Berlin an- sässige Ratingagentur Scope. Dank ihrer breiten Abdeckung in Europa könnten euro- päische Investoren auf sie zurückgreifen. „Das ist natürlich möglich. Wir arbeiten bereits mit Scope zusammen. Aber viele unserer institutionellen Investoren wie Ver- sorgungswerke, Pensionsfonds, Versicherer wollen oder müssen einfach in Investment- Grade-Anleihen investieren, die mit einem Rating der großen drei Agenturen versehen sind“, erklärt Kopf. Dabei lobt er Scope: „Die schreiben sehr fundierte Analysen, teil- weise besser als die anderen Agenturen. Beispielsweise habe ich kürzlich eine Ana- lyse über afrikanische Länder und den Ein- fluss der Coronakrise gelesen, die war rich- tig gut!“ Hier sei auch nicht zu befürchten, dass die afrikanischen Staaten als Emitten- ten Scope für die Analyse bezahlt haben. Europäische User trauen einer europäi- schen Agentur auch eher zu, die Besonder- heiten einzelner europäischer Länder besser einordnen und berücksichtigen zu können, beispielsweise Pensionsrückstellungen, Kündigungsfristen für Mitarbeiter oder das langfristiger ausgerichtete Geschäftsgebaren des Mittelstands. Daher ist ihnen die Eta- blierung einer europäischen Agentur lieb. Etwas abseits vom Scheinwerferlicht scheint sich bei Scope einiges zu tun, und es sieht nach dem Versuch aus, eine Über- nahme durch eine der US-Ratingagenturen unmöglich zu machen. Ein Börsengang von Scope hat bislang zwar nicht stattgefunden, aber nun stärkt eine Gruppe von Investoren die Kapitalbasis, indem sie in die Scope SE & Co. KGaA investiert. Zu den Investoren gehören unter anderen Signal-Iduna, HDI, Sparkassen Versicherung, Mobiliar und die RAG-Stiftung. „Talanx hält die Idee, ein europäisches Gegengewicht zu den US- Ratingagenturen aufzubauen, für richtig und vielversprechend. Deshalb hat sie sich bei Scope engagiert. Talanx ist an Scope be- teiligt, allerdings mit einem sehr kleinen Anteil“, sagt ein Talanx-Sprecher. Auch bei Scopes Ankeraktionären han- delt es sich um Investoren, denen womög- lich die Alternativlosigkeit zu den US-Ra- tingagenturen ein Dorn im Auge ist: Florian Schoeller (aus der deutsch-österreichischen Unternehmerfamilie Schoeller) und BMW- Großaktionär Stefan Quandt. Die Beteili- gungsgesellschaften der beiden Familien halten zusammen 80 Prozent an der Scope Management SE, die für die Steuerung der Ratingagentur zuständig ist. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der ehe- malige deutsche Bundespräsident Horst Köhler und Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet der Scope Foundation beigetreten sind. Auch darüber hinaus sind der Stif- tungsvorstand und das Board prominent be- setzt. Womöglich schafft man es mit dieser geballten Power, dafür zu sorgen, dass die EZB künftig auch Scope-Ratings anerkennt. Dann wären es immerhin fünf statt vier Ratinghäuser, deren Urteil bei der Bewertung der als Sicherheiten eingereichten Wertpapiere zählt. Drei Jahre lang muss Scope unter Beweis stellen, eine bestimmte Min- destabdeckung von Anleihen- emittenten und Schuldtiteln zu haben; Ende 2021 ist es dann womöglich so weit. Dann muss man sehen, welchen Effekt ein weiterer Marktteilnehmer im Zirkel der mächtigen Agenturen hat. ANKE DEMBOWSKI Achtung, Oligopol-Tendenzen! In verschiedenen datengetriebenen Bereichen gibt es jeweils drei Hauptanbieter, die eine große Marktmacht auf sich konzentrieren. 3 führende Kreditratingagenturen • Moody’s • S&P • Fitch 3 führende Benchmarkanbieter • MSCI • S&P • FTS 3 führende Anbieter für Nachhaltigkeitsdaten • MSCI • ISS-Oekom • Sustainalytics/Morningstar Daten zu sammeln, zu verarbeiten und aktuell zu halten, ist ein aufwendiges Unterfangen. Global und über alle Assetklassen hinweg lässt sich das offenbar nur dann wirtschaftlich bewerkstelligen, wenn es eine Vielzahl zahlender User gibt. Das führt zunächst zu einem Konzentrationsprozess und festigt anschließend die Oligopol-Situation, weil der hohe Aufwand des Geschäftsmodells eine Markteintrittshürde darstellt. 264 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | US - RAT I NGAGENTUR EN

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