Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Geld mehr von den Emittenten verlangen dürften. Maßnahmen gefordert Doch welche Maßnahmen sollten die Regulatoren ergreifen? Auch wenn es dieje- nigen, die in der Abhängigkeitsfalle sitzen, schmerzt, passen Preisbindungen schlecht in ein kapitalistisches System. Direkte Preisbindungen verlangen GDV und BVI auch nicht, vielmehr schlägt der BVI vor, die Ratinganbieter zu mehr Preis- und Kostentransparenz zu verpflichten, ana- log den MiFID-II-Regeln. Zusätzlich sollte aus Sicht des BVI sichergestellt werden, dass sämtliche Datenanbieter in einem Ratingkonzern von der CRA-Regulierung erfasst werden, was derzeit nicht der Fall ist. Als dritte Maßnahme plädiert der BVI für eine Stärkung der Aufsichtskompetenz der ESMA in diesem Bereich. Hier stellt sich die Frage, warum die Regulatoren nicht längst eingeschritten sind; immerhin sind seit der Finanzkrise 2008 bereits zwölf Jahre ins Land gegangen. Zwar wurde mit der EU-Ratingverordnung an der Regulierungsschraube gedreht, aber das änderte die Zwangslage, in der sich die Investoren befinden, nicht wirklich. Es hängt alles zusammen Offenbar fällt es den Gesetzgebern schwer, ernsthaft durchzugreifen. Das mag zum einen daran liegen, dass es objektiv schwierig ist, und zum anderen delegiert man unangenehme Bonitätseinstufungen wohl auch gern an Dritte. Insofern sitzen Parallelen im Bereich der Anbieter von ESG-Daten Der Einsatz von ESG-Daten entwickelt sich ähnlich wie Credit Ratings zu einer regulatorischen Notwendigkeit. Der generell große Datenhunger beschert Datenanbietern ein attraktives Geschäftsfeld und könnte auch im Bereich von ESG-Daten zu einer hohen Abhängigkeit führen. E s tut sich einiges am Markt der Ratingagenturen, denn die rasant zunehmenden Rechnerkapazitäten er- möglichen es, immer mehr modellgestütz- te Verfahren einzusetzen. Modelle müssen mit Daten gefüttert werden; daher ist der Datenhunger von Investoren, Asset Managern und Aufse- hern rasant gestiegen. Ent- sprechend weiten die Rating- agenturen ihr Geschäftsfeld aus und entwickeln sich zu- nehmend zu Datenanbietern mit Komplettsortiment. Dass das ein attraktives Feld ist, wird unter anderem unterstri- chen durch Bloombergs Be- mühen, in den Markt der Da- tenanbieter einzudringen. Konzentrationstendenz Ein Teilbereich der benötigten Daten tritt zunehmend in den Fokus: ESG-Daten. Hier gibt es zwar (noch) nicht die extrem hohe Marktkonzentration wie bei den Ratingagenturen, aber auch in diesem Bereich zeichnet sich eine Konsolidierungs- tendenz ab – überwiegend ausgehend von US-Adressen: Im März 2018 übernahm die in den USA beheimatete ISS die Münchner Nachhaltigkeitsratingagentur Oekom Research, und im April 2019 wur- de Moody’s Investor Services Mehrheitsak- tionär bei der französischen ESG-Rating- agentur Vigeo Eiris. Schon 2017 beteiligte sich der US-Datenanbieter Morningstar an dem niederländischen ESG-Datenhaus Sustainalytics zu 40 Prozent, um im Juli 2020 das Haus komplett zu übernehmen. Ähnlich wie bei Credit-Rating-Daten kommt es auch im Nachhaltigkeitsbereich dazu, dass die Regulierung Investoren und Asset Manager dazu zwingt, Nachhaltigkeitsdaten einzu- setzen. Das bietet den Anbie- tern solcher Daten ein kom- fortables Geschäftsfeld und birgt die Gefahr für Inves- toren und Asset Manager, auch hier auf lange Sicht in eine Abhängigkeitsfalle zu geraten. Bemühen um Unabhängigkeit Einige Asset Manager ver- suchen, sich so weit es geht unabhängig zu halten. So entwickelte beispielsweise Insight Invest- ment ergänzend zu den externen Bewer- tungen eigene ESG-Scores, die häufig von den Ratings der ESG-Ratingagenturen abweichen. „Wir entwickeln diese Scores bereits seit 15 Jahren inhouse“, erklärt Sabrina Jacobs, Fixed-Income-Produktspe- zialistin bei Insight Investment in London. „Das versetzt uns in die Lage, den Rating- agenturen zeitlich etwas vorzulaufen.“ Außerdem kommen die einzelnen ESG- Scoring-Anbieter oft zu sehr unterschiedli- chen Ergebnissen, weil sie jeweils andere Schwerpunkte setzen. „Aus diesem Grund beziehen wir verschiedene ESG-Rohdaten von externen Anbietern. Anschließend ge- wichten wir die Faktoren selbst, um zu un- seren eigenen ESG-Scores zu kommen“, erklärt Jacobs. Den Daten der externen Anbieter begegnet man bei Insight Investment mit gesunder Skepsis, „insbesondere bei Un- ternehmen aus den Emerging Markets oder bei Small Caps. Hier haben die gro- ßen ESG-Datenanbieter zwar eine breite Marktabdeckung, sind aber oft nicht so gut oder so präzise im Detail“, meint Jacobs und ergänzt: „Aus unseren En- gagement-Aktivitäten erhalten wir oft indi- viduellere, bessere Informationen, wenn wir uns direkt mit den Unternehmen in Verbindung setzen.“ Als Beispiel nennt sie Wirecard: Als das FinTech-Unternehmen im September 2019 mit einer Bond-Emis- sion auf den Markt kam, hatte MSCI Wirecard noch mit einer mittleren ESG- Note versehen, während der Analyst von Insight Investment dem Unternehmen bereits wegen Governance-Risiken die schlechteste ESG-Note gegeben hatte. „Daher waren wir nicht in Wirecard inves- tiert, als das Unternehmen auseinander- brach“, ist Jacobs froh. Auch andere Asset Manager wie DWS oder Union Investment bauen eigene ESG- Scoring-Systeme auf, greifen aber ebenfalls auf Rohdaten der ESG-Datenanbieter zu- rück. Ob es Investoren und Asset Mana- gern gelingt, hier eine ähnliche Abhängig- keitsmühle wie bei Credit-Ratingagenturen zu vermeiden, wird sich zeigen. Sabrina Jacobs, Fixed-In- come-Produktspezialistin bei Insight Investment, London N o. 4/2020 | www.institutional-money.com 263 S T E U E R & R E C H T | US - RAT I NGAGENTUR EN

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