Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

dass die drei großen Agenturen eine Oligo- pol-Stellung haben und diese unverhohlen ausnutzen. Konsultation der ESMA Die Kritik der Investoren und Asset Ma- nager war so laut, dass sich die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA auf den Plan gerufen fühlte und Ende März 2020 ei- nen Call for Evidence veröffentlichte, der am 3. August geschlossen wurde. Darin fragte sie bei den Stakeholdern nach, wo und wie sie die Ratingdaten nutzen, wie viel sie für die Data Feeds zahlen und noch einiges mehr. Die ESMA wollte bei der Konsultation auch wissen, inwiefern die Informati- onsbedürfnisse der Stakeholder durch die Informationsangebote auf der European Rating Plat- form (ERP) und die öffentlichen Websites der Ratingagenturen (CRAs) gedeckt werden können. Nach dem Feedback der Stake- holder schreibt die ESMA nun einen Report, in dem auch Optio- nen vorgeschlagen werden sol- len, wie den Nutzern der Zugang zu den Ratingdaten erleichtert werden kann. Wie es dann wei- tergeht, wird man sehen. Eine geschickte Preispolitik betreiben die Ratingagenturen schon länger, ist aus dem Markt zu hören. Dass die Verbände sich jetzt aber laut artikulieren, liegt vermutlich daran, dass ihre Mitglieder angesichts des lang an- haltenden Niedrigzinsumfelds preissensibler werden. Sie sehen zu, dass sich einzelne Kostenposten nicht aufblähen. Moody’s stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass alles richtig läuft. Auf Anfrage von Institutional Money erklärt ein Unternehmenssprecher: „Die Credit Ratings von Moody’s Investors Service sind auf moodys.com frei und öffentlich verfügbar. Sobald unsere Bonitätsbewertungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, werden sie auch von Dritten weiterverbrei- tet, unter anderem von Moody’s Analytics.“ Der Unternehmenssprecher fährt fort: „Moody’s Analytics kombiniert Daten aus unterschiedlichen Quellen, einschließlich der Ratingdaten, und produziert daraus ein einzigartiges Set an Inhalten. Dies wird über eine flexible Technologieplattform bereit- gestellt, die Schnittstellen zu einer Vielzahl von Kundenanwendungen unterstützt.“ Moody’s äußert sich auch zu den Preisen: „Moody’s Analytics hat ein transparentes Preissystem, das allen potenziellen und be- stehenden Kunden des Data-Feed-Dienstes zur Verfügung steht.“ Einträgliches Geschäftsmodell Dessen ungeachtet scheint der Business Case des Datenanbieters äußerst attraktiv zu sein, wie seine Finanzkennzahlen zei- gen: Gewinnmarge von 37,5 Prozent, KGV von 28 und Börsenkurs beim 29-Fachen des Buchwerts; solche Kennzahlen lassen sich als üppig bezeichnen. Die Bond-Inves- toren, auf deren Budgets die hohen Rating- kosten im Regelfall schlagen, hätten den Tipp besser gleich an ihre Kollegen im Aktienmanagement weiterreichen sollen. Dort hätte der Titel für große Freude ge- sorgt. In den vergangenen zehn Jahren ver- zeichnete die Moody’s-Aktie ein Kursplus von 1.223 Prozent, ein Jahresschnitt von 29,4 Prozent! Das Marktumfeld, in dem sich Unter- nehmen und Staaten immer weiter verschul- den, und die Regulierung, die vorschreibt, dass Investoren ihre Kapitalbasis an das Rating der von ihnen gehaltenen Papiere koppeln müssen, dürfte den Ratingagen- turen vermutlich auch in Zukunft eine gesi- cherte Auftragslage bescheren; und das zu Preisen, die sie – bislang zumindest – ein- fach durchsetzen können. Diesen Zusammenhang hatte Warren Buffett vermutlich frühzeitig vor Augen, denn er ist bereits seit Jahren als Aktionär bei Moody’s investiert. Doch er kennt auch die andere Seite, wenn er seinen Versiche- rungskonzern Berkshire Hathaway raten lassen muss, um Fremdkapital aufnehmen zu können. „Ich kann nicht frei wählen. Standard & Poor’s und Moody’s sind der Maßstab für Berkshire. Ich würde mich gern woanders hinwenden. Glauben Sie mir, ich habe keine Preisgestaltung, keine Verhandlungsmacht gegenüber Standard & Poor’s oder Moody’s. Der Markt verlangt, dass ich von Standard & Poor’s und Moo- dy’s bewertet werde“, hat Warren Buffett einmal gesagt. Kopf sieht das genauso: „Die Ratingagenturen sind wie regulierte Wasser- werke, die unregulierte Gebühren verlangen – auf unsere Kosten!“ Er hat einen weiteren Kritikpunkt, näm- lich dass die Ratingagenturen auf beiden Seiten kassieren: Auf der Seite der kapital- suchenden Unternehmen und Staaten, die Anleihen emittieren wollen, und auf der Seite der Investoren und Asset Manager, die nur in Anleihen und Credits investieren dürfen, die ein bestimmtes Rating aufwei- sen. Hier kommt es zu den Interessenkon- flikten, die zur Subprime-Krise 2007/2008 offenbar wurden. „Mir wäre wohler, wenn die Ratingagenturen kein Geld von den Emittenten nehmen würden“, sagt Kopf. Andererseits steht zu befürchten, dass die Agenturen die Preise für die User ihrer Ratingdaten anheben würden, wenn sie kein » Der ESMA fehlt es für diese missbräuch- lichen Nutzungslizenz- und Gebührenforde- rungen an regulatorischer Handhabe. « Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI » Ratingagenturen versuchen über Bündel- verträge ihren institutionellen Kunden erweiterte Dienstleistungen zu verkaufen. « Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des deutschen Versicherungsverbands GDV 262 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | US - RAT I NGAGENTUR EN FOTO : © S T E FAN GRÖP P E R , DOM I N I K BU T ZMANN, I NS I GH T I NV E S TMENT

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