Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Kritik an den großen Ratingagenturen ist nicht neu. Unmittelbar nach der Finanzkrise 2007/2008 wurden Gefälligkeitsratings ver- mutet. Schließlich haben sich reihenweise Papiere als schlecht erwiesen, die zuvor von den Agenturen mit der Bestnote AAA ver- sehen wurden. Im April 2012 hagelte es dann Kritik von Emittentenseite: Mehrere DAX-Vorstände unterzeichneten einen Pro- testbrief, weil S&P die Gebühren für Unternehmensratings verdop- peln wollte. Im August 2012 be- schwerten sich auch die User: Die deutsche Bankenbranche kritisierte öffentlich hohe Gebühren und ein intransparentes Geschäftsgebaren bei S&P. Die Kritik blieb von re- gulatorischer Seite nicht unbeant- wortet: Ratingagenturen erhielten zwar eine EU-Ratingverordnung (CRA-3-Verordnung), aber an der Grund-konstellation hat das offen- bar nicht viel geändert. Semiregulatorisch Darüber hinaus enthält die CRA-3-Verordnung nicht nur Re- gelungen für die Agenturen; sie zwingt auch Kreditinstitute, Versi- cherungen und andere beaufsichtigte Unter- nehmen, für regulatorische Zwecke nur noch Ratings von zugelassenen Ratingagen- turen zu verwenden. Außerdem dürfen sie nicht mehr blind die Ratings einer Agentur übernehmen, sondern müssen eigene Boni- tätseinschätzungen vornehmen. Das bedeu- tet, dass der Automatismus der Ratingüber- nahme zwar gemildert ist, aber für Com- pliance- und Rechnungslegungszwecke und für das regulatorische Meldewesen sind die offiziellen Ratings nach wie vor ein Muss. Damit sitzen Asset Manager und Inves- toren gemeinsam in der Klemme: Die In- vestoren benötigen aufgrund der Regulie- rung ein Rating von einer der drei großen US-Ratingagenturen, um ihre Solvenz- quoten oder ihren Eigenmittelbedarf zu berechnen. Das gilt beispielsweise für Depot-A-Manager von Banken (Capital Requirements Regulation, CRR) oder für Versicherungsunter- nehmen (Solvency II). Dadurch sind die Ratings harte Indikatoren und haben eine semiregulatorische Wirkung. Die Investoren weisen dann ent- sprechend ihre Vermögensver- walter an, nur Anleihen mit einem bestimmten Rating zu erwerben. Also müssen auch die Asset Mana- ger Zugang zu den Ratings der Agenturen haben – und das kostet. Dass Datenbezug kostenpflichtig ist, gilt als normal. Es sieht aber so aus, als ob den Ratingagenturen sehr bewusst ist, dass ohne ihre Ratings nichts geht. Investoren und Asset Manager sind der Meinung, Der deutsche Fondsverband BVI und der deutsche Versicherungsverband GDV stehen auf dem Standpunkt, dass es sich bei den drei Marktführern um ein Oligopol handelt, dessen Geschäftspraktiken in Teilen fragwürdig sind. Einträgliches Geschäftsmodell Kursverlauf von Moody’s über 10 Jahre, Börse Frankfurt Oligopol-Stellung. Die Ratingagentur Moody’s steht gut im Saft. Investoren und Asset Manager prangern an, dass die hohen Gewinne der US-amerika- nischen Ratingagenturen zu ihren Lasten gehen und die angewandten Geschäftspraktiken nicht alle in Ordnung sind. Quelle: Bloomberg Moody’s Aktienkurs in US-Dollar S&P 500 Index (dort ist Moody’s Mitglied) S&P 500 Sub-Index für Financials (GICS Level 1) 1.200 % 800 % 1.600 % 2.000 % 400 % 0 % 2015 2014 2013 2018 2019 2020 2017 2016 2012 2011 2010 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com 261 S T E U E R & R E C H T | US - RAT I NGAGENTUR EN

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