Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Schwierig gestaltet sich aber noch die Datenbeschaffung. „ESG-Policies zu schreiben und entsprechende Komitees zu gründen ist in angemessener Zeit machbar und eine Frage der Ressourcen“, meint Lammert. „Aber es stellt sich die Frage: Wie bekomme ich welche Daten in welcher Qualität, und wie kommen diese in meine Systeme rein?“ Bei börsengehandelten Aktien mag das noch einfach sein. Wenn ein Investor aber in ein Infrastrukturprojekt investiert, kann es schwierig werden. „Das gilt insbesondere für kleinere Investoren, die keine so gro- ße Marktmacht haben, bei den Anbietern Druck aufbauen zu können, dass sie die benötigten Daten liefern“, meint Lammert. Dem stimmt Robert Sattler von KGAL zu. Er ist Nachhal- tigkeitsbeauftragter des Investment und Asset Managers, der die drei Assetklassen Immobilien, Infrastruktur und Flugzeuge bedient. „Wir haben die UN PRI 2018 unterzeichnet, sind jetzt also im zweiten Jahr des entsprechenden Reportings. Die Datenverfügbarkeit ist tatsächlich eine große Herausforderung. CO 2 -Messungen bei Immobilienprojekten anzustellen klingt einfach, ist es aber nicht. Die EU will hier noch Standards vor- geben, aber die derzeitigen Templates müssen von den euro- päischen Aufsichtsbehörden bis Jahresende umfassend über- arbeitet werden. Die Sache ist also noch nicht ganz ausdefi- niert, aber eigentlich müssten unsere Wirtschaftsprüfer und die BaFin uns hier bald prüfen.“ Er fährt fort: „Für die Energie- verbräuche von Immobilien gibt es Methoden; da sind auch Schwellenwerte definiert. Aber bei der Frage der Messmetho- den, beim Umgang mit dem Mieterverhalten sowie bei den verwendeten Baumaterialien oder wie umweltfreundlich der Abbruch von Gebäuden später möglich ist, da fehlt noch vie- les.“ Lediglich bei der Assetklasse Infrastruktur sei die Sache klar. „Da investieren wir zu 100 Prozent in erneuerbare Ener- gie“, so Sattler. Es wird wohl weit bis ins Jahr 2021 hinein andauern, bis Standards gefunden werden, wie die Verordnung im Einzelnen durchgeführt werden soll. Daher hat sich der deutsche Fonds- verband BVI für realistische Anforderungen beim Start der Offenlegungsverordnung eingesetzt – mit Erfolg. So will die EU-Kommission nun das Inkrafttreten der Vorgaben aus dem Verordnungstext von den künftigen Regulierungsdetails zeit- lich trennen. Damit startet die Offenlegungsverordnung unver- ändert zum 10. März 2021, aber nur auf Basis der prinzipien- orientierten Vorgaben. Erst zu einem späteren Zeitpunkt – wohl ab Anfang 2022 – sollen die technischen Regulierungsstan- dards mit den Detailvorgaben in Kraft treten. Viel Auslegungsspielraum In Deutschland schlägt sich die EU-Taxonomie in der Offenlegungsverordnung und den delegierten Rechtsakten nie- der, und es gibt ein Merkblatt von der BaFin vom 20. Dezem- ber 2019, in dem es hauptsächlich um den Umgang mit Kli- ma- und anderen Nachhaltigkeitsrisiken geht. Lammert ver- weist aber auch darauf, dass das erst der Anfang sein kann: „Fürs Erste haben wir jetzt eine Richtschnur. Einen einheit- lichen Handlungsleitfaden stellen diese Regelungen noch nicht dar. Investoren und Asset Manager müssen sich noch sehr viele eigene Gedanken machen.“ ANKE DEMBOWSKI Antwort vom Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer (WPV) Berenike Simon-Schaefer, Abteilungsleiterin, zuständig für Nachhaltigkeitsthemen Als berufsständisches Versorgungswerk ist unser Auftrag, nämlich die Alters- und Hinter- bliebenenversorgung unserer Mitglieder, bereits per se nachhaltig. Wir sind seit dem Jahr 2012 UN PRI. Nachhaltigkeit spielt für unser Unternehmen also schon seit langer Zeit eine Rolle, ihre Wichtigkeit wird in der Zukunft sicher noch weiter wachsen. Der Faktor Nachhaltigkeit nimmt bereits eine Rolle in unserer Anlagepolitik ein, wir gehen aber davon aus, dass die Bedeutung noch weiter wachsen wird. Davon gehen wir nicht aus. Wir sind z. B. bereits in Renewables investiert und werden den Anteil dieser Investments zukünftig vermutlich noch erhöhen. Das wäre allerdings auch ohne die Taxonomie der Fall gewesen. An unserem Prozess in der Erwerbsphase von Investments und auch später im Monitoring der Investments wird sich durch die Taxonomie nichts ändern, da wir bereits jetzt die Manager und Investments unter ESG-Kriterien prüfen. Die Taxonomie ist aus unserer Sicht ein geeignetes Instrument, um das Thema Nachhaltigkeit von oben „durchzusetzen“, ähnlich wie es eine Frauenquote geben muss, damit Frauen in Führungspositionen zum Standard werden und nicht die Ausnahme bleiben. Es wäre wünschens- wert, dass ein allgemeines Verständnis für das Thema Nachhaltigkeit wächst und dass die Aus- richtung auf das durch die Taxonomie geforderte Verhalten eine Selbstverständlichkeit wird. Wir gehen davon aus, dass die Taxonomie diese Probleme verkleinern wird. Vorher war es für Anleger schwierig herauszufiltern, ob ein Investment wirklich nachhaltig ist oder ob es sich um „Greenwashing“ handelt. Durch die Pflicht zur Offenlegung des Anlageverhaltens wird die Tätigkeit der Unternehmen transparent(er). Kleinere Unternehmen können natürlich bei allen Verordnungen beziehungsweise allen auf- sichtsrechtlichen Vorgaben zunächst ein Ressourcenproblem bei der Umsetzung haben. Dies ist allerdings eher ein generelles Problem und keines, das spezifisch der Taxonomie zuzuordnen wäre. Außerdem können kleinere Unternehmen ihre Strategie und ihr Portfolio an der einheitli- chen Taxonomie ausrichten, haben dadurch also bereits eine Guidance in puncto Nachhaltigkeit. Letztlich hat eine strenge Taxonomie mit strengen Vorgaben den Vorteil der Eindeutigkeit. Die Taxonomie verpflichtet ja zur Offenlegung, damit Finanzprodukte im Hinblick auf Nachhaltigkeit transparenter werden. Bei zu strengen Vorgaben würde man aber möglicherweise vielen Finanzmarktteilnehmern beziehungsweise Produktanbietern die Tätigkeit so erschweren, dass ihr Geschäftsmodell letztlich nicht mehr funktioniert. Möglichst große Spielräume führen im schlechtesten Fall dazu, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist, die ja gerade herbeigeführt werden soll. Daher sollte man sich in einem gesunden Mittelfeld bewegen. Davon gehen wir nicht aus, im Gegenteil. Unternehmen, die sich nicht an den durch die Taxonomie vorgegebenen Anforderungen orientieren, werden zukünftig immer weniger Chancen haben, sodass eher die Nichtberücksichtigung zu Renditeeinbußen führen wird. Außerdem hat sich die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bereits als brauchbares Risk-Management- Tool erwiesen, das die Rendite positiv, in jedem Fall aber nicht negativ beeinflusst. N o. 4/2020 | www.institutional-money.com 259 S T E U E R & R E C H T | EU -TAXONOMI E | OF F ENL EGUNGS VE RORDNUNG

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