Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Solvency II fragt, wie viel Kapital wir be- nötigen, um ein „200-Jahres-Event“ für ein Jahr überstehen zu können. Daher arbeitet die Branche daran, Fragen des Klimawandels nicht im Einjahreszeitabschnitt zu betrachten. Die EIOPA empfiehlt, dies im Own Risk and Solvency Assessment (ORSA) zu be- handeln. Das halte ich für sinnvoll. Sich langfristig aufbauende Risiken sollten im ORSA berücksichtigt werden. Wie behandelt denn der Insurance Capital Standard (ICS) die Themen Infrastruktur und Nachhaltigkeit? Skjødt: Zunächst zum Verständnis: Der ICS ist ein Solvenzregime, das nur für inter- national tätige Versicherungsgruppen gelten soll. Aktuell konsultiert das IAIS in Basel den ICS und stellt dabei die Frage, wie Infrastrukturinvestments darin behandelt werden sollen. Es geht darum, ob für Infra- struktur niedrigere Kapitalanforderungen gelten sollen als für Aktieninvestments. Die Konsultationsperiode läuft noch bis 7. Dezember. Ist der ICS nicht nur für die ganz großen, international tätigen Versicherungsunter- nehmen wichtig? Skjødt: Zunächst soll der ICS-Standard nur für die rund 50 größten international tätigen Versicherungsgruppen gelten, die mindes- tens 50 Milliarden US-Dollar Versiche- rungsgelder beziehungsweise zehn Milliar- den US-Dollar Prämieneinnahmen haben und ihr Geschäft außerdem in drei oder mehr Ländern schreiben. Dazu gehören beispielsweise Aviva, Allianz, Munich Re, Prudential US, mehrere japanische Versi- cherungsunternehmen und so weiter. Aber es ist sinnvoll, der Entwicklung des ICS Aufmerksamkeit zu schenken. In Japan interessiert man sich beispielsweise bereits dafür, den ICS für japanische Versiche- rungsunternehmen auf Solo-Level einzufüh- ren, das heißt für den einzelnen Versicherer. Die wollten nämlich eine Regulierung, die risikosensitiv ist. Insofern hat der ICS eine Bedeutung, die weit über die rund 50 größ- ten Versicherungsunternehmen hinausgeht. Interessant ist auch, dass die EIOPA unter anderem bisher noch nicht ausgeschlossen hat, dass der ICS eines Tages Solvency II ersetzen wird. Daher macht es keinen Sinn, die Solvenzanforderungen für Infrastruktur- investments im ICS zu senken, und sie in Solvency II zu belassen. Ich rate jedem mit- telgroßen bis großen Versicherungsunter- nehmen, sich mit dem ICS zu beschäftigen und Einfluss darauf zu nehmen, solange der Prozess noch offen ist. Wieso tut man sich speziell mit der Solvenz- kapitalberechnung für Infrastruktur so schwer? Skjødt: Die Schwierigkeit ist einzuschätzen, wie riskant Infrastrukturinvestments sind. Erstens sind die großen Projekte sehr indi- viduell, und zweitens fehlen historische Datenreihen. Das sind keine Standard-Com- modities! Wie berechnen Sie denn die Risi- » Versicherung bedeutet Risikoübernahme und Denken im Kollektiv. « Peter Skjødt, unabhängiger Berater für Versicherungen, bis vor Kurzem Direktor bei der Geneva Association Fokus: Internationale Versicherungs- und Regulierungsthemen Peter Skjødt wohnt derzeit in Virum nahe der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Der studierte Volkswirt begann seine Karriere 1988 als Volkswirt bei der Danish Manufacturer’s Association und dann beim Brauereiunter- nehmen Carlsberg International. 2006 wechselte er nach Brüssel, um dort als Director of Economics and Finance beim europäischen Versicherungsver- band Insurance Europe zu arbeiten. Dort beschäftigte er sich u. a. mit Solvency II, Kapitalanlagen und dem Reporting-Standard IFRS. Während dieser Zeit war er auch Associate Professor an der Copenhagen Business School und lehrte dort über internationales Finanzwesen und Pensionssysteme. Von 1993 bis 2015 war er in verschiedenen Posi- tionen beim dänischen Versicherungsverband, der Danish Insurance Association (DIA), tätig. 2015 ging er nach Zürich, um dort als Director of Financial Stability and Regulation für die Geneva Association zu arbeiten. Seit Oktober 2020 berät er Versiche- rungen als unabhängiger Berater und steht mit Verbänden, Regulatoren und Institutionen in engem Kontakt. N o. 4/2020 | www.institutional-money.com 249 S T E U E R & R E C H T | P E T E R S K JØDT FOTOS : © M I CHA E L MANS F E L D T

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