Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

P eter Skjødt war bis Ende Sep- tember Director of Financial Stability and Regulation bei der International Association for the Study of Insurance Economics, besser be- kannt als The Geneva Association (GA), in Zürich. Die Geneva Association, ist eine 1971 gegründete Non-Profit-Organisation, die in der Forschung im Versicherungs- bereich tätig ist. Die Bandbreite der Themen reicht dabei von Klimawandel und Über- alterung bis zur Digitalisierung und zu neuen Technologien . Herr Skjødt, welche Rolle spielen Versiche- rungsunternehmen in der Gesellschaft? Peter Skjødt: Die Textbuch-Antwort wäre, dass Versicherungsunternehmen für die Poli- ceninhaber da sind, und als Nebenziel sollen sie zur Stabilität des Finanzsystems beitra- gen. Ich glaube aber, dass ihre Rolle viel weiter geht. Versicherungsunternehmen sol- len auch helfen, Risiken zu vermeiden, dass Unfälle beispielsweise gar nicht erst passie- ren. Wenn das Risiko schlagend wird, sollen sie helfen, die Folgen zu mildern. Letztlich ist ihre Rolle noch viel größer: Ohne Versi- cherungsunternehmen gäbe es kein Wirt- schaftswachstum, denn keiner würde eine Fähre oder ein Flugzeug betreten, wenn sie nicht versichert wären, ein Haus bauen oder dergleichen. Politiker wollen Versicherungs- unternehmen jetzt auch für die Entwicklung der Kapitalmarktunion, den Ausbau der In- frastruktur und für die Reduktion der CO 2 - Emissionen in die Pflicht nehmen. Überfrachtet es die Versicherungsindustrie nicht, wenn man so viel von ihr verlangt? Skjødt: In gewisser Weise darf man Forde- rungen an die Versicherungsindustrie stel- len, denn in fast allen entwickelten Ländern der Welt genießen sie beziehungsweise ihre Kunden Steuervorteile, insbesondere bei Lebensversicherungsbeiträgen. In Däne- mark wird die Steuer beispielsweise erst bei Auszahlung des Vertrags fällig, woraus sich eine Steuerstundung ergibt. Das bedeutet, dass Lebensversicherer Geld investieren können, das eigentlich der Öffentlichkeit gehört („Deferred Taxes“). Darüber hinaus werden die Kapitalgewinne in vielen Län- dern relativ niedrig besteuert. Gibt es Grenzen, wenn man Versicherungen für gesellschaftliche Ziele heranziehen will? Skjødt: Politiker und Regulatoren müssen immer abwägen, ob die Verpflichtungen, die sie Versicherungsunternehmen aufer- legen, mit dem Schutz der Versicherungs- nehmer vereinbar sind. Wenn Politiker bei- spielsweise wollen, dass Versicherungsun- ternehmen helfen, kritische Infrastruktur wie Straßen, Krankenhäuser und Telekom- munikationsnetze aufzubauen, dann müssen sie sie damit auch Geld verdienen lassen. Das steht dann den Versicherungsnehmern zu. In Wirklichkeit bergen solche Infrastruk- turinvestments aber hohe politische Risiken. Die Frage ist, ob Politiker auch in 20 Jahren noch die Rahmenbedingungen anerkennen, die von den heutigen Politikern ausgehan- delt werden. In Dänemark war das nicht immer der Fall. Inwiefern hat sich die Wahrnehmung bezüg- lich der Versicherungsbranche durch die Covid-19-Pandemie verändert? Skjødt: Bei der Covid-19-Pandemie handelt es sich um ein systemisches Ereignis, das auf der ganzen Welt stattfindet. Daher ist es auch für international tätige Versicherungs- unternehmen kaum möglich, sich dagegen zu diversifizieren; sie sind also betroffen. Politiker haben dann Lockdowns beschlos- sen, deren Konsequenzen schwer zu versi- chern sind. Insbesondere die daraus folgen- Versicherungsexperte Peter Skjødt im Gespräch über die Herausforderungen, mit denen die Branche derzeit konfrontiert ist: niedrige Zinsen, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Corona-Pandemie. » VERSICHERUNG BEDEUTET RISIKO- ÜBERNAHME « 244 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | P E T E R S K JØDT FOTO : © M I CHA E L MANS F E L D T

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