Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

P olitische Börsen haben, so zu- mindest die Meinung des einen oder anderen Marktbeobachters, kurze Beine. Das mag stimmen. Manchmal ist es aber auch so, dass selbst die kurzen Beine nicht wissen, in welche Richtung sie eigentlich laufen sollen, oder dass die Börse nur scheinbar politisch ist, in Wirklichkeit aber einem ganz anderen Trend folgt. Das klingt konfus, ist es wohl auch – und war wunderbar während der Tage vor, während und nach den US-Prä- sidentschaftswahlen vom 3. November zu beobachten. Die Puzzlesteine Wir erinnern uns: Im Vorlauf der Wahlen legten große Leitindizes wie der S&P 500 in den USA oder der DAX in Deutschland beträchtlich zu. US-Aktien verzeichneten ab ihren September-Tiefs ein Plus von 8,5 Pro- zent; der DAX, der zunächst von den Covid-19-Schlagzeilen beherrscht wurde, verzeichnete ab Ende Oktober, als die US- Wahlen zunehmen in den Fokus der euro- päischen Märkte rückten, ähnlich starke Gewinne. Diese Kursentwicklungen hätten eigentlich mit Erstaunen quittiert werden sollen: Immerhin bedeuten Wahlen in der Regel politische Unsicherheit. Und außerdem lag der demokratische Kandidat Joe Biden zeitweise mit zweistel- ligem Prozentpunktanteil vor dem amtieren- den republikanischen Präsidenten Donald Trump. Bidens Programm ist mit seinen Vorhaben zu Steuererhöhungen für Unter- nehmen und regulatorischen Verschärfun- gen deutlich weniger marktfreundlich als das von Trump – dass die Bullen trotz dieser Sachverhalte so stark agierten, hätte eigentlich für Stirnrunzeln sorgen sollen. Tat es aber nicht. Stattdessen wurde ins Treffen geführt, dass eben der starke Vorsprung Bidens für klare politische Verhältnisse und somit Stabilität sorgen würde – alles Rah- menbedingungen, die die Marktteilnehmer schätzen. Doch dann zeichnete sich in der Wahlnacht ein deutlich engeres Rennen ab, und es sah so aus, als würden die Demo- kraten das Rennen um den Senat verlieren, was wiederum zu einer Patt-Situation füh- ren würde. Georgia on my mind Aber: Auch kein Problem! Denn plötz- lich war nicht ein klarer Wahlsieg Bidens ein Garant für Stabilität, sondern die Hoff- nung darauf, dass Biden nicht „durchregie- ren“ kann und seine wirtschaftspolitischen Bemühungen von einem republikanisch be- herrschten Senat blockiert werden könnten. So meinte etwa Rich Weiss, Chefanleger beim Vermögensverwalter American Cen- tury, öffentlich: „Mit einem Biden-Sieg und einer republikanischen Mehrheit im Senat wird die neue Regierung Schwierigkeiten haben, viele ihrer geplanten Programme zu Die Marktreaktionen der Vergangenheit geben einen hoch optimistischen Blick auf eine Biden- Präsidentschaft frei. Denn historisch gesehen haben demokratische Regierungen republikanische gerade im ersten Amtsjahr deutlich outperformt. Warum das so ist, scheint allerdings ein Rätsel zu sein. Ein präsidiales Puzzle Valuegewichtete Überschussrendite von US-Präsidentschaften (1927–2016) Seit 1927 haben die US-Aktienmärkte unter demokratischen Präsidenten kein einziges Mal unterdurchschnittlich abgeschnitten. Im Gegensatz dazu war das für die Republikaner mit Hoover, Nixon und G. W. Bush gleich drei Mal der Fall – und das teils drastisch. Quelle: Studie Republikaner Demokraten -40 % -30 % -20 % -10 % 0 % 10 % 20 % 30 % Coolidge Hoover Obama Roosevelt Truman Eisenhower Kennedy Johnson Nixon Ford Carter Reagan G.H.W Bush Clinton G.W. Bush Demokraten liegen vorn Durchschnittliche Portfolioerträge 1927–2016 Republikaner Demokraten Diff. VWR-TBL 0,51 10,68 -10,16 p-Wert 0,88 0,00 0,01 VWR-INF 2,67 9,60 -6,93 p-Wert 0,43 0,00 0,10 EWR-TBL 0,60 15,56 -14,96 p-Wert 0,89 0,00 0,01 EWR-INF 2,75 14,48 -11,73 p-Wert 0,51 0,00 0,03 TBL-INF 2,15 -1,08 3,23 p-Wert 0,00 0,00 0,00 Über Jahrzehnte hinweg waren demokratische Präsidentschaften lukrativer – je nach Portfolio um bis zu knapp 15 Prozentpunkte. Anleihentechnisch zeigt sich ein spiegelverkehrtes Bild. Abkürzungen: VWR=valuegewichtet, TBL=3-Monats-Treasuries, INF= Inflation, EWR=gleichgewichtet Quelle: Studie FOTO : © S A R AH S I L B I GE R | B LOOMB E RG, ROMAN | S TOCK . ADOB E . COM 188 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N | US - PRÄ S I DENT S CHA F T

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