Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

einen die Managementkosten, die in der Praxis anfallen würden, zum anderen „er- möglicht sie eine objektive Beobachtung der Performance, weil Verzerrungen durch individuelle Managementfähigkeiten entfal- len“, wie die Autoren meinen. Verschiedene Strategien Diese passive ESG-Strategie erproben die Autoren sowohl in den USA, indem sie ihre Testportfolios mit Aktien aus dem S&P 500 füllen und in der Eurozone über den Euro- stoxx 600. Die ESG-Gewichtung selbst er- folgt zu Vergleichszwecken über Scores aus zwei Datenbanken: Nämlich ASSET4 und Thomson Reuters ESG. Ersteres Portfolio nennen die Autoren schlicht „ESG“, das zweite „TRESG“. „Um die Allokation noch weiter in Rich- tung ESG-Aktien zu verschieben und so die Nachfrage von Marktteilnehmern zu simu- lieren, die einen verstärkten Druck zu sozial verantwortlichem Investment verspüren, haben wir außerdem Portfolios mit expo- nentieller ESG-Gewichtung erstellt“, wie die Autoren erklären. Die derart zugespitz- ten Strategien werden für beide Nachhaltig- keitsstrategien angewandt und laufen unter „EXPESG“ und „EXPTRESG“. Überraschende Ergebnisse Zum relativen Vergleich der jeweiligen nachhaltigen Performances werden sowohl der S&P als auch der Stoxx in ein Equal- Weight- und in ein Value-Portfolio gegos- sen. Der Value-Ansatz bildet die beiden Leitindizes relativ originalgetreu ab, da so- wohl die Indizes als auch das Portfolio nach Marktgröße gewichtet werden. Lässt man diese sechs Portfolios nun über zehn Jahre laufen und misst man die Kurse auf Tagesbasis, kommt man auf regionaler Ebene zu unterschiedlichen und teils über- raschenden Ergebnissen. So liefert die Nachhaltigkeitsstrategie TRESG in den USA zwar den höchsten Rohertrag ab, risi- koadjustiert wird der Ansatz jedoch von der simplen Equal-Weight-Strategie geschlagen, wie an der Sharpe Ratio abzulesen ist ( siehe Grafik „Wie pure ESG-Ansätze in den USA funktionieren …“ ). Außerdem weist der gleichgewichtete Ansatz einen höheren ESG-Score aus als die nach ESG gewichte- te Strategie, was relativ überraschend ist und ein Schlaglicht darauf wirft, wie unter- schiedlich einzelne Agenturen den Begriff ESG auslegen. Gewichtet man nämlich nach ASSET4, so wird ein Nachhaltigkeits- score erzielt, der weit über der Equal- Weight-Strategie liegt. Für die Autoren ausschlaggebend ist je- denfalls, wie die herkömmlichen Nachhal- tigkeitsstrategien ESG und TRESG im Ver- gleich zu Value abschneiden, da die meisten generellen Indizes genau diesem Gewich- tungsprinzip folgen. Auch hier gibt es kon- terintuitive Resultate, denn Value schlägt in Sachen ESG-Score beide Nachhaltigkeits- strategien, schneidet aber bei Rohertrag und risikogewichteter Performance schlechter ab als die beiden ESG-Ansätze. Nachdem Value ja nach Marktkapitalisierung funktio- niert, würde das bedeuten, „dass größere Unternehmen tendenziell bessere ESG- Scores ausweisen als kleinere“, wie die Au- toren analysieren. Für Europa ähnelt sich das Bild ( siehe Grafik „... und wie sie sich in der Eurozone verhalten“ ). Auch hier weist Value gleich hohe oder höhere ESG- Werte aus als die dezidierten herkömmli- chen ESG-Strategien, hinkt aber bei den Ertragskennzahlen deutlich hinterher. Zu viel des Guten? Stellt sich natürlich die Frage, was pas- siert, wenn man den ESG-Aspekt weiter forciert – das scheint aber im wörtlichen Sinn zu viel des Guten zu sein: Denn die exponentiellen ESG-Ansätze verursachen teils enorme Schwankungen, wie man an der Standardabweichung erkennen kann. EXPTRESG bildet in beiden untersuchten Regionen in allen gemessenem Gewinn- und Risikokategorien sogar das Schluss- licht. Während die Strategie in den USA zu- mindest – und wie zu erwarten war – einen kompetitiven ESG-Score abliefert, schafft sie es in Europa in der selben Kategorie gerade einmal auf Platz drei und wird, knapp aber doch, von Value geschlagen. Das macht es laut den Autoren „offensicht- lich, dass zusätzliche ESG-Performance auf Kosten der finanziellen Ertragskraft geht“. Faktoranalyse Angesichts der mitunter überraschenden Ergebnisse ist es natürlich interessant, von welchen Einflussgrößen die jeweiligen Port- folios getrieben werden. Zusätzlich zu den bekannten Faktoren Markt (Mkt), Small mi- nus Big (SMB), High minus Low (HML), Robust minus Weak (RMW) und Conser- vative minus Aggressive (CMA) entwerfen und berechnen die Autoren analog zu Fama French den ESG-Faktor Good minus Bad (GMB), bei dem die Erträge der 50 Prozent schlechtesten ESG-Performer von den Er- trägen der oberen Hälfte an ESG-Perfor- mern abgezogen. Während das Paper ausführlich alle sechs Portfolios in beiden untersuchten Regionen vergleicht, wollen wir uns an dieser Stelle auf Europa und den Vergleich zwischen ESG und Value konzentrieren (siehe Tabelle „Welche Faktoren in welchen Strategien stecken“) . Die Ergebnisse sind robust, und ihre Aussagekraft steigt mit jedem zusätz- lich geladenen Faktor. Die entsprechende Messzahl R 2 ist nach Hinzufügen von GMB – womit wir bei einem Sechs-Faktor-Mo- dell angelangt sind – am höchsten, was für die Funktionsfähigkeit des Faktors spricht. Auf den ersten Blick weisen die beiden Strategien deutliche Ähnlichkeiten auf. Ein- zig der HML-Faktor, dem das Kurs-Buch- wert-Verhältnis zugrunde liegt, ist bei ESG tendenziell positiv, bei Value hingegen durchgehend negativ. Demnach würden also eher Unternehmen mit hoher Bewertung die Erträge der ESG-Strategie treiben. Gerade diese Aussage ist aber mit Vorsicht zu ge- nießen. Denn ausgerechnet HML weist im Sechs-Faktor-Modell ein statistisches Signi- fikanzniveau von relativ niedrigen 95 Pro- zent auf. Bei vier und fünf Faktoren liegt » Offensichtlich geht eine zusätzliche ESG-Perfor- mance auf Kosten der finanziellen Ertragskraft. « Julian Amon, Margarethe Rammerstorfer und Karl Weinmayer wirken respektive zweimal an der WU Wien und an der Modul University Vienna 150 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PA S S I VE E SG - S T RAT EG I E

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