Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

Was wird wie gemessen? Das Ergebnis: Die Unterschiede in der Messung stellen den Haupttreiber dar, aber die abweichenden Anwendungsbereiche haben nahezu den gleichen Einfluss. Das bedeutet, dass die Rating-Diskrepanz so- wohl darauf zurückzuführen ist, was gemes- sen wird, als auch darauf, wie es gemessen wird. Das macht es für Anwender so schwierig zu verstehen, was zwei stark von- einander abweichende Ratings genau be- deuten. Die dritte Dimension der Gewich- tungen spielt den Untersuchungen zufolge nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings tritt noch ein weiterer Aspekt zutage, der die Dimension der Messungen betrifft. Demnach besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen, das einen hohen Score in einem Bereich erzielt, auch in allen anderen Bereichen gut abschneidet, die von der gleichen Person beurteilt werden. Die Autoren interpretieren diesen „Rater-Effekt“ als strukturellen Bias, der zu den Messabweichungen beiträgt. Als plausible Erklärung führen sie an, dass ein- zelne Analysten bei den Agenturen für gan- ze Firmen zuständig sind und nicht speziell für einzelne Kategorien. Anbieter in der Pflicht Die Abweichungen von ESG-Ratings zwischen den einzelnen Anbietern kommen vor allem durch unterschiedliche Mess- methoden und die Auswahl der berücksich- tigten Kategorien zustande. Die abweichen- den Gewichtungen der Kategorien sind dagegen weniger entscheidend. Aus Sicht der Anwender wäre eine mög- liche Lösung, sich nur auf einen ESG-An- bieter zu fokussieren, dessen Auswahl und Gewichtung einbezogener Kategorien und verwendeter Messmethoden am besten mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmt. Schwieriger ist es aus Sicht der Unterneh- men, die sich recht unterschiedlichen Ein- schätzungen ihrer ESG-Bestrebungen ge- genüber sehen: Es ist möglich, dass Ver- besserungen einzelner Kriterien nicht bei allen Anbietern tatsächlich einen positiven Rating-Effekt haben. Eine Lösung könnten hier offene und transparente Disclosure- Standards sein, die zusammen mit den Ra- tinganbietern entwickelt werden. Last but not least sind aber vor allem die Anbieter in der Pflicht, mehr Transparenz zu schaffen. Dazu gehört eine klare Kommunikation der einbezogenen Kriterien, Messmethoden und Gewichtungen. Zudem sollten die Anbieter überlegen, wie sich der potenziell verzer- rende Rater-Effekt vermeiden lässt. DR. MARKO GRÄNITZ Niedrige vs. hohe Abweichungen Bei einigen Unternehmen sind die ESG-Rating-Differenzen gering, bei anderen dagegen sehr groß. Dargestellt sind die normalisierten Ratings der 25 Unternehmen mit den niedrigsten und höchsten mittleren Abweichungen vom Durchschnittsrating. Quelle: Berg, F. / Koelbel, J. / Rigobon, R. (2020), Aggregate Confusion: The Divergence of ESG Ratings, S. 37–38 –4 –2 0 +2 +4 Normalisiertes Rating –4 –2 0 +2 +4 Normalisiertes Rating Sustainalytics RobecoSAM Vigeo Eiris KLD Asset4 MSCI China Resources Land Ltd. Intuitive Surgical Inc. Amphenol Corporation MediaTek Inc. Advance Auto Parts Inc. Chipotle Mexican Grill Inc. QBE Insurance Group Ltd. Ashtead Group plc The Charles Schwab Corp. Distribuidora Internacional Mitsubishi Tanabe Pharma SAA Corp. Luxottica Group SpA Apple Inc. Eisai Co. Ltd. Sika AG Resona Holdings Inc. Morgan Stanley IMI plc Nitto Denko Corporation Consolidated Edison Inc. Public Service Enterprise Heineken NV The Bank of Nova Scotia Amcor Limited Marui Group Co. Ltd. Tokyu Corporation Toyo Seikan Group Holdings Toho Gas Co. Ltd. Larsen & Toubro Limited Philip Morris International Porsche Automobil Holding Japan Tobacco Inc. Bancolombia SA Mitsui Fudosan Co. Ltd. Bank of America Corp. G4S plc AT&T Inc. Barrick Gold Corporation Altria Group Inc. Swire Pacific Limited Royal Bank of Scotland Seagate Technology Johnson & Johnson Praxair Inc. GlaxoSmithKline plc Honda Motor Co. Ltd. WorleyParsons Limited Transurban Group Intel Corporation 144 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG - RAT I NGS

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=