Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

besonders negativ auf den Wert und damit die Kurse auswirken. Dieser Zusammen- hang steht im Einklang mit der deutlichen Underperformance von Value-Aktien vom 1. Januar bis 31. März 2020. Verläuft die weitere Entwicklung wie erwartet und blei- ben die Cashflows für bis zu zwei Jahre un- ter Druck, sollten Value-Aktien den Autoren zufolge einen größeren permanenten Wert- verlust aufweisen als andere Titel. Die grundsätzliche Idee, Renditen von Value-Aktien mit dem kurzfristigen Cash- flow-Risiko zu erklären, ist jedoch nicht neu. Schon im Dezember 2011 veröffentlichten David Schröder und Florian Esterer ein Pa- per am EDHEC-Risk Institute, das sich genau damit befasste („A New Measure of Equity Duration: The Duration-Based Explanation of the Value Premium Revi- sited“). Darin wurde eine kurze Duration mit höheren erwarteten und realisierten Renditen in Verbindung gebracht, die sich nicht mit dem Beta erklären ließen. Stattdessen vermuteten die Autoren die Duration als grundsätzlichen Risikofak- tor, für den der klassische Value-Faktor nach Fama/French letztlich nur einen Proxy darstellt. Die einfache Schlussfolgerung war damals, dass die Value-Prämie eine Kom- pensation für das höhere Cashflow-Risiko ist – und genau dieses Risiko hat sich nun im Zuge der Coronakrise realisiert. Katastrophe und Erholung Die aktuelle Implied-Duration- Studie verweist zudem auf ein in der Literatur bekanntes Muster von Katastrophen und Erholungen. Demnach sind in der näheren Zu- kunft liegende Cashflows in einer Welt, die durch seltene Katastro- phen und anschließende schnelle Erholungen charakterisiert ist, ris- kanter. Der Grund: Weiter in der Zukunft liegende Cashflows werden durch den kurzfristigen Einbruch weniger beeinträchtigt, wenn eine schnelle Erholung folgt. Deshalb können Growth-Aktien mit langer Duration im Fall solcher Ereignisse eine relative Sicherheit bieten. Langfristig bieten Aktien mit kur- zer Duration dagegen ein höheres Kurspotenzial. Die Autoren schrei- ben, dass gerade die beschriebenen kurzfristig höheren Cashflow-Risi- ken eine Erklärung dafür sind. Hinzu kommt, dass Titel mit längerer Duration in der Tendenz auch höhere Insolvenzrisiken aufweisen. Das könnte damit zusammen- hängen, dass bei erhöhtem Default Risk ein entsprechend höherer Anteil des kurzfristi- gen Cashflows auf den Schuldendienst ent- fällt, was die Duration erhöht. Alternative Erklärungen Neben der impliziten Duration sind noch andere Erklärungen für die Underperfor- mance der jeweiligen Aktien möglich. Zum Beispiel könnten die Geschäfte von Unter- nehmen, deren Aktien eine kurze Duration aufweisen, aufgrund ihrer Sektorzugehörig- keit stärker vom Shutdown betroffen sein. So würde etwa der Wechsel von persön- lichen Treffen auf Onlinemeetings die Aktien von Hotels belasten, während Tech- nologieaktien davon profitierten. Auf Basis der Untersuchungen zur Robustheit ihrer Ergebnisse kommen die Autoren jedoch zu dem Schluss, dass die Ergebnisse unab- hängig von den einzelnen Branchen sind, sodass dies keinen systematischen Effekt darstellt. Eine andere Erklärung könnte sein, dass die Aktien mit langer Duration besonders von den Zinssenkungen zu Beginn der Coronakrise profitieren konnten. Doch auch das ist der Studie nach nicht der Fall: Die Ergebnisse sind demnach ähnlich, wenn diejenigen Titel ausgeschlossen werden, die in diesem Zeitraum einen Anstieg ihres Marktwerts aufwiesen. Komplett ausschlie- ßen lässt sich der Einfluss der Zinsen damit zwar nicht, aber sie sollten zumindest eine untergeordnete Rolle spielen. Schlussfolgerungen Die implizite Duration stellte zu Beginn der Coronakrise eine gute Erklärung für die beobachteten US- Aktienrenditen dar. Da Value-Ak- tien eine kurze Duration aufweisen, war deren Underperformance im untersuchten Zeitraum eine rationa- le Reaktion des Marktes. Im Einzel- fall ist darüber hinaus natürlich eine genauere Analyse notwendig, in welchem Umfang die Geschäfte des jeweiligen Unternehmens tat- sächlich beeinträchtigt sind und wie sich die finanzielle Situation dar- stellt, um die Krise durchzustehen. Grundsätzlich ist die implizite Du- ration aber ein geeignetes Maß, um die Sensitivität von Aktien gegen- über Katastrophen wie dem Shut- down zu Beginn der Coronakrise zu quantifizieren, die vorrangig in der nahen Zukunft liegende Cashflows betreffen. DR. MARKO GRÄNITZ » Die Duration misst auch die Sensitivität von Aktien gegenüber kurzfristigen Katastrophen, bei denen mit einer schnellen Erholung gerechnet wird. « Patricia Dechow, Robert R. Dockson Professor of Business Administration & Professor of Accounting, USC Marshall School of Business Entwicklung der Durationsportfolios Aktien mit langer Duration hielten sich im Crash deutlich besser. Die Grafik zeigt die kumulative Entwicklung der fünf nach impliziter Duration geordneten und nach Marktkapitalisierung gewichteten US-Aktienportfolios im ersten Quartal 2020. Quelle: Dechow, P. / Erhard, R. / Sloan, R. / Soliman, M. (2020), Implied Equity Duration: A Measure of Pandemic Shutdown Risk, S. 30 -60 % -50 % -40 % -30 % -20 % -10 % 0 % 10 % 20 % 2. Jan 3. Feb 2. März 1. April Kumulative Überrendite Wuhan Lockdown Quarantäne in Italien US-Reise- sperre in EU Nationaler Not- stand USA US-Fiskalpaket oberstes Quintil (längste Duration) 4. Quintil 3. Quintil 2. Quintil unterstes Quintil (kürzeste Duration) 124 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | EQU I T Y- DURAT I ON

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