Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

nanzkrise EU-weit verboten, seither nicht mehr eingeführt und können somit nicht Gegenstand der Untersuchungen sein. Gegenübergestellt wurden jedenfalls die Eigenschaften der Märkte Österreich, Bel- gien, Frankreich, Griechenland, Italien sowie Spanien auf der einen und Dänemark, Finn- land, Deutschland, Irland, Norwegen, Portu- gal, Schweiz und Großbritannien auf der an- deren Seite. Die erste Gruppe hatte über be- sagte zwei Monate einen Short Selling Ban verhängt, die zweite Gruppe nicht – sie wird von den Autoren als Kontroll- gruppe verwendet werden ( siehe Grafik „Verbote und Einschränkungen in Europa“ ). Untersucht wurde dabei ers- tens der in der öffentlichen Diskussion wichtigste Punkt – nämlich die reine Performance der jeweiligen Aktienindi- zes. Zweitens versuchten die Autoren herauszufinden, ob die Liquidität durch Leerverkaufsverbote beeinflusst wurde. Au- ßerdem beschäftigen sich die Autoren mit der scheinbar überflüssigen Frage, ob ein Leerverkaufsverbot tatsächlich zu einer pro- zentuellen Verringerung der entsprechenden Leerverkaufsorders im Verhältnis zum Ge- samtmarkt führte. Austrocknende Liquidität Zunächst zu der Kennzahl, deren Aus- trocknung Investoren unter Umständen noch mehr fürchten als den Kursverfall selbst:  Liquidität. Dieser nähern sie sich an, indem sie Beber & Pagano in ihrem 2013 veröf- fentlichten Paper „Short-Selling Bans Around the World – Evidence from the 2007–09 Crisis“ folgen und den Kurs- Brief-Spread als Näherungswert für Li- quidität verwenden. Die einleuchtende Ratio dahinter: Je niedriger die Liquidi- tät, desto höher die Transaktionskosten, „die sehr stark mit dem Bid-Ask Spread zusammenhängen“, wie Kosowski er- klärt. Ein erster Blick auf die Spreads vor und während des Short-Selling-Verbote scheint den Zusammenhang ganz klar darzustellen: Während sich die Spreads in allen untersuchten Märkten ausweiten, „tun sie das in Ländern mit einem Leer- verkaufsverbot stärker – in der Regel verdoppeln sie sich, mit der Ausnahme von Griechenland, sogar“, erklärt Ko- sowski. Das würde also bedeuten, dass die Verhängung eines Leerverkaufsver- bots zu einer Verringerung der Liquidität geführt und somit die Gefahr von negativen Übertreibungen erhöht hätte. Sieht man sich jedoch die zeitliche Entwicklung der Liqui- dität an, so sieht man, dass diese bereits vor der Verhängung der Verbote sinkt und wäh- rend des Banns wieder ansteigt. Eine Über- prüfung der Daten mittels Difference-in- Difference-Ansatz macht letzten Endes klar:  Statistisch gesehen gibt es keinen relevanten Zusammenhang zwischen Short-Selling-Ban und Liquidität. Das Verbot schadet also nicht, es nützt aber auch nicht, es ist – zu- mindest im Zusammenhang mit Liquidität – schlicht nutzlos. Crash-Ängste Wie sieht es dann aber mit der Perfor- mance an sich aus? Konnte der Marktein- griff zu einer Stabilisierung der massiven Kursverluste führen und so einen mögli- cherweise viel schlimmeren Crash verhin- dern? Auch hier sind die Ergebnisse für die Verfechter von Leerverkaufsverboten relativ ernüchternd ( siehe Chart „Vorerst Ende der Talfahrt – mit und ohne Leerverkaufsver- bot“ ). Im Vergleich zeigt sich, dass die Län- der ohne Verbot zwar etwas stärker ins Mi- nus rutschten als die mit Verbot, nur wenige Wochen später hatten die Nicht-Verbots- Länder ihre Konterparts mit Short Selling Ban aber bereits überflügelt – und das wäh- rend der laufenden Leerverkaufsverbote, die ja laut den diversen Marktaufsichten die jeweiligen Indizes hätten stützen sollen. Be- merkenswerterweise erlebten beide Grup- pen nach der Aufhebung der Leerverkaufs- verbote einen neuerlichen Aufschwung, wo- mit sich der Verdacht aufdrängt, dass es nicht die Eingriffe der Behörden waren, die die jeweiligen Märkte gestützt haben, son- dern die rückläufigen Infektionszahlen und das damit einhergehende positivere Senti- ment. Schlussendlich noch ein Blick auf die prozentuellen Short-Positionen in den Märkten: Auch diese blieben stabil, gingen anekdotisch gesehen in Einzelmärkten wie dem österreichischen sogar in die Höhe. Das bedeutet also, dass während eines Short Selling Bans der Anteil der Leerverkaufspo- sitionen am Gesamtmarkt gestiegen ist. Die- Vorerst Ende der Talfahrt – mit und ohne Leerverkaufsverbot Wie sich die europäischen Märkte vor, während und nach dem Short-Selling verhalten haben In Ländern mit Leerverkaufsverbot endete die Talfahrt der Aktienmärkte ein paar Tage früher als in Ländern ohne künstliche Einschränkungen. Allerdings wiesen Letztere noch während des Banns eine deutlich stärkere Erholung auf. Quelle: Studie 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 Verbot eingeführt Verbot aufgehoben März April Mai Juni Feb 2020 I I I I Länder mit Short Selling-Verbot Länder ohne Short Selling-Verbot Punkte » Der Bid-Ask Spread hat sich in den meisten Ländern mit einem Leerverkaufsverbot verdoppelt. « Robert Kosowski, Imperial College London 112 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | SHOR T T RAD I NG FOTO : © I MP E R I A L COL L EGE LONDON, LOYOL A UN I V E R S I T Y CH I CAGO

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