Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

A m Montag, den 18. Mai 2020 sandte die österreichische Fi- nanzmarktaufsicht FMA fol- gende Pressemitteilung aus: „Das Verbot für gedeckte Leerverkäufe, das erstmals am 18. März im Zuge der Corona- krise verhängt wurde, läuft heute um Mit- ternacht aus.“ Das seit 2012 gel- tende EU-weite Verbot für unge- deckte Leerverkäufe blieb davon unberührt. Die Aufhebung des Verbots geschehe in Abstimmung mit der europäischen Markt- und Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA und sei „unvermeidlich“ wie „angemessen“ gewesen und habe „gewirkt“, wie die beiden FMA-Vorstände Helmut Ettl und Eduard Müller die breite Öffent- lichkeit informierten. Demnach hätten „die Short-Selling-Ein- schränkungen einen wichtigen Beitrag zur Dämpfung der irra- tional überschießenden Marktre- aktionen und zum Erhalt des Ver- trauens der Anleger in die Stabi- lität des österreichischen Finanz- marktes geleistet“. Das Ende der Maßnahmen sei nun ein „Schritt zurück zur Normalität“. Ähnliche Aussendungen gab es auch von den Marktaufsichten anderer Länder, die ihre simultan laufen- den Leeverkaufsverbotsperioden an jenem Tag beendeten, also: Belgien, Frankreich, Griechen- land, Italien und Spanien. Konsternierte Forscher Die Gemütslage von Luca Enriques und Marco Pagano beim Verfassen ihres ECGI-Papers „Emergency Measures for Equity Trading: The Case Against Short- Selling Bans and Stock Exchange Shut- downs“ reichte angesichts solcher Aussagen wahrscheinlich von „konsterniert“ über „perplex“ bis hin zu „ungläubig“. Denn wie der Titel ihrer Arbeit nahelegt, können es die beiden Wissenschaftler, die respektive in Oxford und an der Università degli Studi di Napoli Federico II wirken, nicht ganz glau- ben, dass es im Jahr 2020 immer noch Menschen gibt, die an die Sinnhaftigkeit von Leerverkaufsverboten glauben. In ihrem Positionspapier, das sie für das European Corporate Governance Institute (ECGI) ver- fasst haben, nehmen sie auf mehreren Ebe- nen gegen jede Art von Leerver- kaufsverbot Stellung – auch in Krisenzeiten. Stabilisierung vor Crash? Demnach sei die Argumenta- tion, wonach das Verbot von Leerverkäufen fallende Märkte stabilisieren könne, „nur schein- bar sinnvoll, weist es doch so- wohl empirisch wie auch prinzi- piell schwerwiegende Defizite auf“. Denn das Argument bein- halte, dass die Behörden – also die jeweiligen Marktaufsichten – den „wahren Wert des Marktes besser kennen als die tausenden Investoren, die jeden Tag gewal- tige Ressourcen aufwenden, um genau solche Bewertungen vor- zunehmen“. Doch selbst wenn dem so sei – was die Autoren be- zweifeln: „Wieso intervenieren diese Behörden dann nicht auch, wenn die Preis über die faire Bewertungen hinausschießen, al- so bevor der Markt crasht?“ Weiters verweisen die Autoren auf bereits erfolgte Forschung – mitunter die eigene –, die nachge- wiesen haben will, dass Leerver- kaufsverbote beispielsweise im Finanzsektor während der großen Finanzkrise mitunter Kursverluste ausgelöst hätten und mit einem erhöhten Insolvenzrisiko für Ban- ken einhergingen. Außerdem Die europäische Börsenaufsicht, aber auch ihre nationalen Pendants in Frankreich oder Österreich argumentieren, dass Leerverkaufsverbote den Markt stabilisieren, und rechtfertigen so ihre Markteingriffe aus dem Frühjahr. Eine neue Studie, die genau diesen Zeitraum untersucht, kommt zu einem anderen Schluss. Leere Versprechen Verbote und Einschränkungen in Europa Wo und wie sich Handelseinschränkungen und Lockdown überschnitten In manchen Ländern wie Deutschland wurden Leerverkaufsverbote angedacht, in sechs Märkten wurden sie letzten Endes auch eingeführt. Start und Ende liefen unter diesen Ländern koordiniert und nach vorheriger Absprache ab. Quelle: Studie März 2020 I I April I Mai I März 2020 I I April I Mai I Österreich Belgien Finnland Frankreich Deutschland Griechenland Ungarn Irland Italien Niederlande Norwegen Spanien Portugal Spanien Schweden Schweiz UK Short-Selling-Verbot Lockdown FOTO : © DEN I S I SMAG I LOV | S TOCK . ADOB E . COM 110 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | SHOR T T RAD I NG

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