Institutional Money, Ausgabe 4 | 2020

tätswachstum, da die todgeweihten Unter- nehmen knappes Kapital, Fachkräfte, Im- mobilien und dergleichen in Beschlag nah- men, die gesunde Unternehmen stattdessen wesentlich produktiver verwendet hätten. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen 2018 auch die französische Studie „The Inverted-U Relationship Between Credit Access and Productivity Growth“ und 2019 eine Publi- kation der New York Stern University „Whatever it takes: The Real Effects of Unconventional Moneta- ry Policy“, die dabei auch auf die negativen Effekte hinsichtlich In- vestitionen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum hinwies. Auf die Beschäftigung ging auch die BIZ-Studie näher ein. Weniger Jobs Laut BIZ-Papier reduzierten Zombies im Beobachtungszeitraum ihren Personalbestand jährlich um mehr als sechs Prozent, während gesunde Unternehmen diesen um drei Prozent erhöhten. Beim Punkt „Personalabbau“ stellt sich oftmals die Frage, ob es für die Volkswirt- schaft als Ganzes nicht besser sei, Zombie-Unternehmen in ihrer Rol- le Arbeitsplatzgeber trotz aller Folgeproble- me zu subventionieren. Das ist aus wirt- schaftsliberalem Blickwinkel keine gute Idee: Gerade in Ländern wie Deutschland herrscht Fachkräftemangel, der vor allem produktiven Firmen bei der Expansion be- hindert. Ein Ausscheiden von Zombie-Un- ternehmen sorgt nicht nur für einen Mitbe- werber weniger, sondern setzt die begehrten Fachkräfte frei, erlaubt den gesunden Fir- men ein stärkeres Wachstum und führt über eine gesamtwirtschaftlich höhere Produkti- vität unterm Strich zu einem höheren Brut- toinlandsprodukt. Würden Ressourcen wie Kapital oder auch Arbeitskräfte unabhängig von der Produktivität verteilt, hätte Deutsch- land laut Schätzung Müllers ein um zirka 30 Prozent niedrigeres Bruttoinlandsprodukt. Deflationsdruck Eine schwache Produktivitätsentwicklung führt mit Begleiterscheinungen wie Arbeits- platzabbau, Lohndruck und Investitionszu- rückhaltung schlussendlich genau zu jener Entwicklung, die Zentralbanken mit ihrer expansiven Geldpolitik eigentlich bekämp- fen wollen: zu Deflation. „Durch die Über- produktion der Zombie-Unternehmen kön- nen die finanziell gesunden Unternehmen die Preise nicht anheben, sodass sogar de- flationäre Effekte entstehen können, wenn die Notenbanken monetär ankurbeln, Zin- sen senken und Liquidität erhöhen“, erklärt Erhardt. „Dabei ist der Rückgang der Infla- tionsrate in den Märkten am größten, in de- nen die meisten Zombies hinzugekommen sind. Je mehr Zombies also, desto geringer der Preisanstieg beziehungsweise die Infla- tion“, erinnert Stelter an die letzten (verlo- renen) Jahrzehnte in Japan, wo die Bank of Japan früher als alle anderen Zentralbanken die Geldschleusen weit öffnete und statt Inflation den gegenteiligen Effekt in Form einer Deflation erzielte. Eine ähnliche Er- fahrung macht derzeit Europa. Laut der NBER-Studie wäre ohne Zunahme bei den gewährten Krediten an Zombies die jährli- che Inflation in Europa von 2012 bis 2016 um 0,45 Prozentpunkte höher ausgefallen. Heilmittel gesucht Damit Zombie-Unternehmen und auch der dahinsiechende Bankensektor wieder nachhaltig profitabel werden, wäre ein über- durchschnittlich starker mehrjähriger Wirt- schaftsaufschwung inklusive höheren Infla- tions- und Zinsraten sowie einer steileren Zinskurve die Ideallösung. Ein anderer, här- terer Weg wäre eine massive Insolvenzwel- le, die kranke Unternehmen vom Markt fegt. Die Covid-19-Pandemie beschleunigt derzeit diesen Kehraus, wie die täglichen Berichte über Unternehmensliquidationen zeigen. Die daraus resultierenden Kreditab- schreibungen würden aber in vielen Fällen die Eigenkapitalpolster der Banken überfor- dern, Staatshilfen erfordern und im Extrem- fall eine Neuauflage der Eurozonekrise pro- vozieren. Der Fokus sollte in der Folge auf den Banken liegen. Daher wird auch in der Studie des NBER wie auch jener der New York University gefordert, dass zur Pro- blembehebung (zusätzlich zu einer expansi- ven Geldpolitik) auch Programme zu Reka- pitalisierung der Banken umgesetzt werden. „Besser noch – wenn man die Banken sa- niert, braucht man die aggressive Geldpoli- tik nicht mehr“, hält Stelter fest. In der Regel würde die Bankensanierung durch Auslagerung problembehafteter Kre- dite in eine staatliche Bad Bank erfolgen. Ein solcher Schritt löse das Problem Stelter zufolge aber nicht oder nur temporär, verla- gere es im Grunde nur. Statt von insolventen Banken würden Zombie-Unternehmen dann von einer staatlichen Bad Bank am Leben erhalten, da eine größere Pleitewelle mit ent- sprechend höheren Arbeitslosenquoten von der Politik nicht geduldet wird. „Damit ist Europa auf dem Weg in die staatliche Zom- bie-Wirtschaft. Aus Angst vor den kurzfristi- gen Folgen der Bereinigung unproduktiver und nicht wettbewerbsfähiger Strukturen schaffen wir die Marktwirtschaft ab und er- setzen sie durch Notenbanksozialismus“, warnt Stelter. ANTON ALTENDORFER » Den Banken bleibt keine andere Wahl, als den schlechten Schuldnern besonders günstige Kredite zu geben. « Dr. Daniel Stelter, Publizist und Gründer der Plattform „Beyond the Obvious“ » Anleger sind heute mit höheren Risiken hinsichtlich Zombie-Unternehmen konfron- tiert als frühere Investmentgenerationen. « Todd Jablonski, Chief Investment Officer Global Asset Allocation bei Principal Global Investors 108 N o. 4/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : GE LDPOL I T I K FOTO : © ANNO D I T TME R , TODD J A B LONS K I

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